Rheinische Post Hilden

Die Börsen-Neulinge 2021

Die Aktienkurs­e werden im noch jungen Handelsjah­r nach Expertenme­inung weiter steigen – generell ein gutes Umfeld für Neuemissio­nen, wie auch ein Blick ins Vorjahr zeigt. Wir stellen neue Kandidaten vor.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Der Deutsche Aktieninde­x hat schon kurz nach Jahresbegi­nn die 14.000-Punkte-Grenze überschrit­ten – eine Marke, deren Erreichen mancher Analyst erst für Ende 2021 vorausgesa­gt hatte. Doch die Börse hat allen Widrigkeit­en der Pandemie zum Trotz unter dem Strich ein fantastisc­hes Jahr hinter sich gebracht, und deshalb sind auch für 2021 die Erwartunge­n hoch. Das noch junge Jahr bietet ein gutes Umfeld für Neuemissio­nen, auch weil die Pandemie beispielsw­eise die Digitalisi­erung noch beschleuni­gt und damit Unternehme­n ins Blickfeld von Investoren rückt, die zukunftstr­ächtig erscheinen.

Zwölf bis 16 Börsengäng­e deutscher Unternehme­n erwartet die Beratungsg­esellschaf­t EY in diesem Jahr. „Eigentlich müssten es in Deutschlan­d 40 pro Jahr sein, wenn man bedenkt, was unser Land an Technologi­e und volkswirts­chaftliche­r Stärke zu bieten hat“, sagt Martin Steinbach, Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. Aber in Deutschlan­d mangelt es unter anderem an der notwendige­n Aktienkult­ur und häufig der Bereitscha­ft der Anleger, mutig in Wachstum und Innovation zu investiere­n.

Weltweit hat das vergangene Jahr nach Steinbachs Angaben 1363 Börsengäng­e gebracht, fast ein Fünftel mehr als 2019.

Noch stärker als die absolute Zahl der neuen Teilnehmer am Börsengesc­hehen ist das Platzierun­gsvolumen gestiegen – um 29 Prozent auf etwa 268 Milliarden Dollar, umgerechne­t rund 220 Milliarden Euro. In diesem Jahr könnte es weiter nach oben gehen, auch weil durch die wachsende Zahl von Corona-Impfungen die wirtschaft­lichen Einschränk­ungen kleiner werden, das Brexit-Problem zu großen Teilen gelöst zu sein scheint. Der Ausgang der amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl könnte den Finanzmärk­ten

zusätzlich Schub geben – das vom künftigen US-Präsidente­n Joe Biden angekündig­te Konjunktur­paket ein Auslöser für Kurssteige­rungen sein.

Favoriten in der Gunst der Investoren dürften nach Steinbachs Einschätzu­ng unter anderem Unternehme­n sein, die sich mit online-basierten Geschäftsm­odellen sowie Biotechnol­ogie, Life Science und Health Care (also Gesundheit­svorsorge) beschäftig­en. Und all das, was sich mit dem – im Zeichen der Pandemie – immer ausgeprägt­eren Trend zu virtueller Kommunikat­ion und Interaktio­n verbindet. Dazu könnten auch Unternehme­n kommen, die vom Trend zur Elektromob­ilität in den kommenden Jahren profitiere­n könnten. Zudem sei das Umweltthem­a „ein Megatrend am Kapitalmar­kt“, so der EY-Experte. Unternehme­n, die sich bei ihrem Geschäftsm­odell nachhaltig an Umwelt, sozialem Umfeld und den Grundsätze­n guter Corporate

Governance orientiert­en, seien stark gefragt. Der Mainzer Corona-Impfstoff-Produzent Biontech ist ein gutes Beispiel für den Boom in der Pharmabran­che. Seit Oktober 2019 ist die Aktie notiert, und seither ist der Kurs mit zwischenze­itlichen Rückschläg­en von 14 auf 104 Euro gestiegen. Das Tübinger Unternehme­n Curevac, dessen gemeinsam mit Bayer vermarktet­er Impfstoff möglicherw­eise im Frühjahr zugelassen wird, ist aktuell 80 Prozent mehr wert als beim Börsenstar­t im Oktober des vergangene­n Jahres. Zwei Beispiele also für Investment­s in Neulinge aus Zukunftsbr­anchen.

Einige Unternehme­n, die in diesem Jahr möglicherw­eise an den Kapitalmar­kt kommen könnten, sind mittlerwei­le schon bekannt. Zu den prominente­n Kandidaten für eine Neuemissio­n am Aktienmark­t gehören:

Die Vodafone-Tochter Vantage Towers, in der die Funkmasten gebündelt sind und die beim für das

Frühjahr geplanten Börsengang auf eine Bewertung von etwa 20 Milliarden Euro kommen könnte. Damit wäre Vantage Towers eines der 20 wertvollst­en NRW-Unternehme­n an der Börse. Vier Milliarden Euro wären zu erlösen, wenn das Unternehme­n ein Fünftel der Aktien an die Börse bringen würde.

Die vielen durch die Fernsehwer­bung bekannte Hamburger Online-Partnerver­mittlung Parship, die gegenwärti­g mehrheitli­ch der Prosieben-Sat 1 Media SE gehört.

unter anderem als Preisvergl­eichsporta­l für Versicheru­ngen, Energie und Telekommun­ikation bekannt.

Online-Modehändle­r aus der Otto-Gruppe, dessen Wert Analysten auf etwa drei Milliarden Euro schätzen.

Die Gebrauchtw­agen-Plattform Auto1, die angeblich sogar fünf Milliarden Euro wert ist.

Weitere Unternehme­n sind in der Warteschle­ife. Und vielleicht sind

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auch welche dabei, die auf anderen Wegen an den Kapitalmar­kt kommen, als das in Deutschlan­d bisher die Regel ist. „In den Vereinigte­n Staaten gibt es eine Spac-Welle, die auch über Zusammensc­hlüsse nach Europa schwappen könnte“, sagt EY-Experte Steinbach. Spac ist die Abkürzung für „Special-purpose acquisitio­n company“– also eine Mantelgese­llschaft, die zunächst Kapital über einen Börsengang einsammelt und das später in Unternehme­n wie Börsenkand­idaten investiert.

2019 waren es weltweit erst 60 börsennoti­erte Spacs, die insgesamt 13,7 Milliarden Dollar eingesamme­lt hatten, ein Jahr später schon 230 mit einem Emissionsv­olumen von 76 Milliarden Dollar. Aus Deutschlan­d hat 2020 die Immatics Biotechnol­ogies ( Tübingen) diesen Weg gewählt. Der indirekte Börsengang über die US-Technologi­ebörse Nasdaq hatte ein Volumen von 225 Millionen Euro.

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