Robert Habecks politische Skizze
Sachbuch Dieses Buch trägt den eigenartig bescheidenen Untertitel „Eine politische Skizze“– und das bei fast 400 Seiten. Aber vielleicht markiert dies die Unsicherheit, was das jüngste Buch von Grünen-Chef Robert Habeck eigentlich sein will: ein bisschen Autobiographie, ein wenig Analyse, etwas Rückschau und Prophezeiung. Vor allem ist das Buch gut zu lesen, der frühere Schriftsteller Habeck weiß, den Leser zu fesslen. Mit Geschichten etwa über Bildung, Digitalisierung und natürlich über Ökologie. Doch das ist kein politisches Programm, sondern ein großer Essay auch über die Erosion der Demokratie mit dem Bekenntnis: „Wir können entscheiden, wie und was wir sein wollen.“ los
Info Habeck: „Von hier an anders“. Kiepenheuer & Witsch, 22 Euro
Pop Der Albumtitel ist für eine Punkband natürlich feinste Sahne: „Drunk Tank Pink“bezieht sich auf die Farbe, mit der manche Gefängniszellen gestrichen werden. Psychologen haben herausgefunden, dass ruhig und ausgeglichen wird, wer sie zwei Minuten lang betrachtet. Und auch Charlie Steen, Sänger des Londoner Quintetts Shame, hat sein WG-Zimmer mit dieser Farbe verschönert.
„Drunk Tank Pink“heißt also die zweite Platte dieser jungen Londoner Gruppe, die wie ihre Kollegen Idles und Fontaines D.C. Post-Punk macht, eine Musik also, die im Punk wurzelt, ihn aber anreichert um Elemente aus Funk, Jazz und Afrobeat. Shame achten bei aller Dornigkeit immer auf den Groove, das haben sie gemeinsam mit Gruppen wie Talking Heads und The Rapture. Ihr zweites Album nach dem Debüt „Songs Of Praise“von 2018 ist nun komplexer, musikalisch offener und auch spannender als der Vorgänger.
Die Musiker sind Anfang 20, und sie erzählen vom Erwachsenwerden in der Pandemie. Zwei Jahre sind sie auf Tour gewesen, jetzt sind sie zum Stillstand verdammt.
Und was der anrichtet im Gemüt von Menschen, die eigentlich von Bühnen ins immer größer werdende Publikum springen möchten, erkennt man an Versen wie „I need a new beginning“und „Will this day never end“.
Die Akkorde zweier Gitarren verschieben sich gegeneinander, die Percussion ist unermüdlich, es gibt harte Tempowechsel, und Charlie
Shame machen Punk gegen den Lockdown
Steen kultiviert einen mitunter ätzenden, dann wieder schmeichelnden Sprechgesang. Das ist Musik, die live gespielt werden müsste, aber das geht ja nicht. Eines der Bilder, die sie für ihre Situation finden, ist das aus „Born In Luton“: Steen erzählt, wie er nach langer Zeit heimkehrt. Er hat keinen Schlüssel dabei, und natürlich sind ausgerechnet jetzt alle Mitbewohner unterwegs. Blöde Sache, tolle Platte.
Philipp Holstein