Wie sich die Schulen digital neu erfinden
30.000 iPads und Laptops und ein massiver Ausbau des Kabelnetzes sollen den Unterricht auf Distanz gewährleisten.
DÜSSELDORF Die Corona-Pandemie stellt die Digitalisierung an den Düsseldorfer Schulen auf eine harte Probe. Schneller als erwartet müssen Technik und Konzepte der Wirklichkeit standhalten. Das gilt erst recht, seit mehr als 70.000 Düsseldorfer Schüler fast vollständig im Distanzunterricht lernen müssen. Doch wo hakt es? Und was läuft schon gut? Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Die Plattformen
Eine erste Zwischenbilanz von Lehrern, Eltern und Schülern zum Lernen auf Distanz fällt differenziert aus. In den meisten Lernplattformen hat es zum Schulstart vor einer Woche ordentlich geruckelt. Eine ganze Reihe von Servern waren bei den unterschiedlichsten Anbietern so überlastet, dass für mehrere Stunden nichts mehr ging. Am Dienstag war auch die in Düsseldorf dominierende, über die Stadt koordinierte Plattform „It’s learning“betroffen.
„Die Videofunktion ist immer wieder eingefroren, offenbar war das alles überlastet“, sagt Nadia Idrissou, angehende Abiturientin an der Dieter-Forte-Gesamtschule in Eller. Weil das zum Zeitfresser wurde, stiegen die Schüler am vergangenen Donnerstag für die Konferenzen mit Bildkontakt auf „Zoom“um. „Das hat dann erst einmal funktioniert“, sagt die 19-Jährige. Auch die Stadt hatte den Schulen empfohlen, bei offensichtlicher Überlastung von „It’s learning“die Kamera abzuschalten und auf das Bild zu verzichten.
Insgesamt gefällt Idrissou die Plattform aber. Die Funktionen seien klar und übersichtlich aufgebaut, auch die Up- und Downloads von Aufgaben und Dokumenten klappten gut. „Wir können einige Dinge direkt online bearbeiten, also ohne irgendetwas abfotografieren oder einscannen zu müssen“, sagt die Schülerin, die sich wie viele ihrer Altersgenossen Sorgen um das Abitur macht. „Weil alles viel aufwendiger ist, arbeite ich sogar mehr Stunden als in der Präsenz. Aber trotzdem fühle ich mich irgendwie nicht richtig vorbereitet“, sagt sie.
Dass sich Lehrer und Schüler mindestens einmal am Tag sehen, findet Philipp Schütte wichtig. Meist spricht der Lehrer für Sport und Geschichte, der am Friedrich-Rückert-Gymnasium in Rath unterrichtet, zwei Mal am Tag mit seinen Schülern. „Der Termin um acht Uhr morgens ist für alle verbindlich, wir wollen sehen, dass tatsächlich alle an Bord sind“, sagt der 30-Jährige. Seine Schule arbeitet mit einer eigenen, cloudbasierten vom Anbieter „wwschool“entwickelten Plattform, die Videokonferenzen wickeln Philipp Schütte und seine Kollegen über den Kommunikationsdienst eines großen US-Unternehmens ab. Und das funktioniere bislang reibungslos. „Alle Schüler einer Klasse können gleichzeitig teilnehmen, ohne dass es technische Probleme gibt. Das finde ich wichtig“, sagt Dorothee Pietzko, Leiterin des Friedrich-Rückert-Gymnasiums. Freilich sei der Nachholbedarf in ganz Deutschland hoch. „Im Vergleich zu dem, was mir eine Freundin aus Schweden berichtet, hinken wir viele Jahre hinterher“, sagt sie.
Die Kapazitäten
Düsseldorf will in den Ausbau der digitalen Infrastruktur der Schulen investieren. Konkret heißt das: Wo nötig, soll es mehr Basisstationen („Access Points“) geben. Denn diese einem Router vergleichbaren Stationen sind für das Funktionieren des W-Lans mitverantwortlich. Je nach Schulgröße gibt es zwischen 20 und 70 solcher Punkte. „Im Schnitt werden wir die Gesamtzahl um rund 15 Prozent aufstocken, um die Stabilität des W-Lans bei stärkerer Belastung zu garantieren“, sagt Florian Dirszus, stellvertretender Leiter des Schulverwaltungsamts. Noch wichtiger ist die Aufwertung der Kabelleitungen. Denn viele der aktuellen Probleme liegen nicht nur an der im Lockdown enorm gestiegenen Anzahl von Nutzern, sondern an den fehlenden Kapazitäten der Datenleitungen. Hier setzt die Stadt an drei Punkten an: Bis zum Jahresende sollen die Schulen, die an das von Vodafone übernommene frühere Unity-Media-Netz angeschlossen sind, mit 1 Gigabit statt der bislang üblichen 200 beziehungsweise 400 Megabit pro Sekunde arbeiten können. „Zudem werden bis Ende 2022 rund 60 Schulstandorte, deren Gebäude grundsätzlich mit dem städtischen Glasfasernetz erreichbar sind, dort tatsächlich auch angeschlossen“, sagt Dirszus. 90 weitere Standorte sollen bis 2025 über private Anbieter mit Glasfaserkabel versorgt werden. Dafür will die Stadt Gelder aus der Breitband-Förderung des Landes beantragen.
Die Endgeräte
In Düsseldorf gilt: Jeder Schüler, der es benötigt, kann ein digitales Endgerät längerfristig ausleihen. 23.000 iPads hat die Stadt inzwischen bereitgestellt. Hinzu kommen 6000 iPads für Lehrer, die seit Ende vergangener Woche ausgeliefert werden sowie einige hundert Laptops. „Bei rund 80.000 Schülern und Lehrern in der Landeshauptstadt entspricht das grob gesagt einer Eins-zu-drei-Ausstattung – eine gute Quote“, sagt Dirszus. Allerdings lösen die Geräte allein längst nicht alle Probleme. „Manche Haushalte haben für den Internetanschluss nur ein niedriges Datenvolumen gebucht. Das setzt in einigen Fällen selbst den besten Konzepten für den Distanzunterricht Grenzen“, sagt Inge Schleier-Groß (64), Leiterin des Georg-Büchner-Gymnasiums. Hinzu kämen in einer Reihe von Fällen die Wohnverhältnisse der Familien. Einige Schüler säßen mit weiteren Geschwistern am Küchentisch und schalteten bei der Videokonferenz das Mikrofon grundsätzlich auf stumm, weil ihnen die ganzen Hintergrundgeräusche peinlich seien. „Distanzunterricht ist in einer Pandemie wichtig, aber er bleibt eine Krücke, die den Präsenzunterricht weder im pädagogischen noch im sozialen Bereich ersetzen kann“, sagt die Pädagogin.