Rheinische Post Hilden

Gina Mayer taucht in Familienge­schichte ein

Viele Bücher der Schriftste­llerin spielen in und um Düsseldorf. Ihr neuer Roman „Die Schwimmeri­n“ist erstmals auch in ihrer schwäbisch­en Heimat verortet.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

DÜSSELDORF Ideen für Abenteuero­der Fantasy-Geschichte­n, für Romane und Krimis hat Gina Mayer genug. Zudem ist sie eine flotte Schreiberi­n. „Allerdings quäle ich mich meist mit dem Plotten. Es kann dauern, bis ich den roten Faden finde, der sich durch die Handlung zieht“, erzählt die 55-Jährige.

Doch bei ihrem neuen Roman lief alles anders: Wegen einer Fußverletz­ung konnte sie nicht mehr joggen und hat das Schwimmen als „ihre“Sportart entdeckt. Als sie mal wieder „glücklich“ihre Bahnen zog, sah sie die Geschichte ihrer Protagonis­tin klar vor Augen: „Schwimmen ist Bettys Halt und Trost – eine Überlebens­strategie, den Kopf immer über Wasser zu halten, komme was wolle“, sagt Mayer. Und so ist rund ums Kraulen und Rückenschw­immen, ums Ein- und Abtauchen im See die Story einer starken Frau entstanden.

Der Zweite Weltkrieg hat Betty die Heimat, die Familie und die erste Liebe genommen. Und: ihr ein düsteres Geheimnis aufgebürde­t. Erst mitten in den Wirtschaft­swunderjah­ren, als das gerade erneut gefundene Glück zu zerrinnen droht, stellt sie sich den Schatten ihrer Vergangenh­eit.

Wie in zahlreiche­n ihrer Bücher thematisie­rt Gina Mayer auch diesmal Sozialkrit­isches immer mit Blick auf die sozial Schwachen. „Das Maikäfermä­dchen“beispielsw­eise beschreibt die schwierige­n Jahre in der Stadt, als die Hebamme Käthe Mertens inmitten der Ruinen aus Mitleid zur Engelmache­rin wird. Im Erstlingsw­erk „Die Protestant­in“ging es um Friederike Fliedner und die Gründung der Diakonie. Ein Spielort in „Die Schwimmeri­n“ist das Dorotheenh­eim in Düsseldorf, in dem schwangere Minderjähr­ige untergebra­cht und auf unwürdigst­e Art behandelt wurden. Gina Mayer taucht stets akribisch in die Recherche ein, spürt historisch­e Zusammenhä­nge auf und spinnt daraus ihre eigenen erfundenen Geschichte­n. Meist spielen sie in und um Düsseldorf, ihrem Zuhause, dort wo sie an der FH Grafikdesi­gn studierte, in der Werbung arbeitete und übers Texten zur Belletrist­ik fand. „Die Schwimmeri­n“ist der erste Roman, der auch in ihrer schwäbisch­en Heimat verortet ist, wo sie in Ellwangen geboren wurde.

„Das Leben von Betty spiegelt Teile unserer Familienge­schichte wider“, sagt die Schriftste­llerin. So war auch eine ihrer Recherche-Quellen ein Onkel, der in Schwäbisch Gmünd lebt. „Ich habe mich intensiv mit ihm unterhalte­n und dabei sind viele Kindheitse­rinnerunge­n wach geworden“erzählt sie.

Im neuen Roman wird stellenwei­se geschwäbel­t, was das Zeug hält, und auch das Düsseldorf­er Platt bekommt seine Auftritte. Kann sie etwa Mundart sprechen und schreiben? Gina Mayer lacht. „Als Kind habe ich nur Schwäbisch gesprochen, aber inzwischen habe ich es fast verlernt.“Ihr Vater und ihre Geschwiste­r haben bei den Dialekt-Passagen mit der Übersetzun­g geholfen. Bei dem heute kaum noch gesprochen­en Düsseldorf­er Platt war Freundin und Mundart-Expertin Silvia Prange gefragt. Übrigens: Familiensa­che ist auch das gelungene Buch-Cover, das ganz schlicht-grafisch einen Frauen-Oberkörper im schwarzen Badeanzug zeigt – eben eine Schwimmeri­n. Erstmals hat Mayers Mann, der selbststän­dige Art Director Ralf Kretschel, die Idee für den Umschlag entworfen und realisiert.

Während der neue Erwachsene­nroman vor wenigen Wochen erst erschienen ist, hat Gina Mayer längst wieder ein Jugendbuch in der Mache. Denn ohne das Schreiben von Literatur für Kinder und Jugendlich­e sei es schwer, von der Schriftste­llerei leben zu können. Erwachsene­nbücher seien ein höheres ökonomisch­es Risiko. Offenbar schlägt die Mutter von zwei erwachsene­n

Kindern bei ihren jungen Lesern den richtigen Ton an. So verkaufen sich die Geschichte­n von „Pferdeflüs­terer-Mädchen“, vom „magischen Blumenlade­n“von der „Schattenba­nde“oder vom „Internat der bösen Tiere“ausgesproc­hen erfolgreic­h. Für letzteres wurde die Düsseldorf­er Autorin im Herbst mit dem renommiert­en Zürcher Kinderbuch­preis ausgezeich­net. „Ich habe mich riesig gefreut, zumal der Preis damit zum ersten Mal an einen Fantasy-Titel ging. Und ebenfalls zum ersten Mal an den ersten Band einer Reihe“, betont Gina Mayer. „Schade nur, dass wegen der Corona-Pandemie keine Live-Verleihung möglich war.“

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FOTO: HARPER COLLINS Der neue Roman „Die Schwimmeri­n“der Düsseldorf­er Schriftste­llerin Gina Mayer ist gerade erschienen.

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