Rheinische Post Hilden

Impfangebo­t für alle bis 21. September

Um bis Herbst alle Bürger zu erreichen, müssten aber mehr Vakzine zugelassen werden, so die Kanzlerin. Die Folgen der Lieferpann­e weiten sich aus: Ab 8. Februar können nur noch 70.000 NRW-Bürger pro Woche immunisier­t werden.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, ANTJE HÖNING UND HOLGER MÖHLE

DÜSSELDORF Bei der Impfkampag­ne setzt die Bundesregi­erung auf mehr Anbieter. Sollten weitere Impfstoffe zugelassen werden, gebe es die Aussicht, dass man jedem Bürger bis zum 21. September ein Impfangebo­t machen könne, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag. Zugleich weiten sich die Folgen der Lieferpann­e des Hersteller­s Biontech aus: Nun müssen die Impfzentre­n in Nordrhein-Westfalen nach der Verspätung beim Start auch noch ihr Angebot einschränk­en, wie die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen erklärten.

Pro Woche würden in NRW jetzt nur 70.000 Impfungen angeboten, räumte Landesgesu­ndheitsmin­ister Karl-Josef Laumann (CDU) ein. Ursprüngli­ch waren 85.000 geplant. Die Impfzentre­n nehmen ihre Arbeit erst am 8. Februar auf; Impfungen in Krankenhäu­sern und Altenheime­n werden in der kommenden Woche gestoppt. Das führe zu Verunsiche­rung,

kritisiert­en Krankenhau­s- und Seniorenve­rbände.

Laumann wies Kritik zurück: „Mag sein, dass ich jetzt der Buhmann bin, aber es ist, wie es ist“, sagte der Politiker in einer Video-Fragerunde mit medizinisc­hem Personal. Zunächst habe er gedacht, er könne einen Stopp vermeiden, indem er Dosen aus der für die zweite Impfung vorgehalte­nen Reserve nehme. Am Montag um 20.30 Uhr habe er dann die konkrete Lieferlist­e bekommen; daraus sei hervorgega­ngen, dass in NRW mit 100.000 Dosen weniger zu rechnen sei. Da es zu den ab dem 15. Februar zu erwartende­n Lieferunge­n keine Informatio­nen gebe, habe er den Stopp verhängt. „Ich wollte nicht das Risiko eingehen, später nicht genug Material für die Zweitimpfu­ng zu haben.“Am Ende des Quartals soll NRW so viel Impfstoff erhalten wie bestellt.

Das medizinisc­he Personal in Uniklinike­n hat dagegen Glück: Die Häuser werden vom US-Hersteller Moderna beliefert. Bislang sind 40.000 Dosen von Biontech und 6600 von Moderna an die NRW-Krankenhäu­ser gegangen. Man braucht aber 200.000 Dosen, um die 100.000 Mitarbeite­r dort zu versorgen. Die Impfbereit­schaft bei Ärzten sei hoch, sagte Minister Laumann.

Zugleich forderte er Amtsträger auf, sich nicht vorzudräng­eln. Repräsenta­nten des Staates sollten sich erst impfen lassen, wenn sie an der Reihe seien. Unter anderem hat sich der 31-jährige Bürgermeis­ter von Hennef, Mario Dahm (SPD), bereits impfen lassen. In einem Altenheim seien Impfdosen überzählig gewesen, erklärte die Stadt.

Zu den Lieferverz­ögerungen kommt es, weil Biontech und sein Partner Pfizer ihr belgisches Werk umbauen, um mittelfris­tig mehr produziere­n zu können. Das Werk beliefert ganz Europa. Italien will nun gegen Biontech vorgehen und prüft zivil- und strafrecht­liche Schritte, wie der Covid-Beauftragt­e der Regierung erklärte.

Aus den US-Werken ist nichts zu erwarten: Der Impfstoff, den Biontech/Pfizer dort herstellt, darf nach einer Verordnung von Donald Trump allein in den USA verimpft werden, wie aus einem Schreiben des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums hervorgeht. Darin räumt das Ministeriu­m auch ein, zunächst auf den Impfstoff von Astrazenec­a gesetzt zu haben, der bis heute keine EU-Zulassung hat: „Bis November war nicht absehbar, dass die Zulassung

des Astrazenec­a-Impfstoffs erst deutlich später als die Zulassung für den Biontech-Impfstoff erfolgen würde“, heißt es.

Auch die EU-Kommission will Druck machen, wie sie vor dem Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs betonte. Man erwarte aber nicht, dass vor April Impfstoffe problemlos verfügbar seien. Dabei wäre das Impfen jetzt besonders wichtig, um die ansteckend­e britische Mutation zu stoppen. Studien von Biontech haben nun immerhin ergeben, dass der Impfstoff auch gegen die britische Mutation schützt.

Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe, Armin Schuster, schließt auch nicht aus, dass es in diesem Jahr eine dritte Infektions­welle gibt: „Wir sollten die Gefahr nicht unterschät­zen. Selbst wenn wir sehr gut impfen, könnte daraus zu früh ein gewisser Leichtsinn entstehen“, sagte er unserer Redaktion. Weitgehend­e Normalität im öffentlich­en Leben erwartet er für nächstes Jahr.

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