Rheinische Post Hilden

Angespannt­e Aufmerksam­keit

Die Kanzlerin wirbt um Akzeptanz für die Corona-Regeln – und erlaubt sich ein wenig Optimismus. Auch Armin Laschet ist Thema.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF

BERLIN Es ist mittlerwei­le ein vertrautes Bild: Die Kanzlerin tritt vor die blaue Wand, nickt in die Kameras, nimmt Platz und legt die FFP2-Maske ab. Sie sei „sehr gerne wieder hierhergek­ommen“, sagt Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag­vormittag zu Beginn ihrer Pressekonf­erenz im großen Saal der Bundespres­sekonferen­z. In den gut 15 Jahren ihrer Kanzlersch­aft stand die Kanzlerin noch nie so häufig öffentlich Rede und Antwort wie zu Zeiten der Corona-Pandemie. Lange haftete Merkel der Ruf der intranspar­enten Krisenkomm­unikation an. Nun jedoch: Merkel zu Beginn mit Maske, später mit Ausführung­en über Virus-Mutationen – als wäre es niemals anders gewesen.

Die Regierungs­chefin will nach der jüngsten Ministerpr­äsidentenk­onferenz ihr restriktiv­es Corona-Management erklären. Schließlic­h befinde sich das Land in einer „sehr schwierige­n Phase der Pandemie“. Lockdown bis Mitte Februar verlängert, Schulen und Kitas weiterhin dicht, Lockerunge­n nicht in Sicht – die Kanzlerin wirbt um Akzeptanz und zeigt Verständni­s für den Überdruss vieler Menschen in der „Jahrhunder­tkatastrop­he“. „Wenn Zumutungen immer länger dauern, werden sie immer schwerer zu bewältigen“, sagt sie. Die Geduld werde „auf eine extrem harte Probe gestellt“.

Nach Charaktere­igenschaft­en von Merkel gefragt, antworten viele Weggefährt­en gerne mit „nüchtern“oder „wenig emotional“. Doch angesproch­en auf die vielen Todesfälle in Alters- und Pflegeheim­en, reagiert die 66-Jährige ganz anders: „Mir bricht das Herz, wenn ich sehe, wie viele Menschen dort einsam gestorben sind.“Die Todeszahle­n jeden Tag vorgelegt zu bekommen, das sei auch für sie „emotional extrem schwierig“.

Die Sorge vor einer weiteren Verbreitun­g von Corona-Mutationen ist groß. Laut Merkel deuten die bisherigen Erkenntnis­se darauf hin, dass das mutierte Virus „um ein Vielfaches ansteckend­er“sei. Auch in Deutschlan­d wurde diese Mutation bereits nachgewies­en, bisher aber ist sie nicht dominant. Man müsse die Verbreitun­g verlangsam­en, um eine dritte, „gegebenenf­alls noch heftigere“Welle abzuwenden. „Wir können das noch verhindern“, so die Kanzlerin. Doch Merkel äußert sich auch verhalten optimistis­ch. Sie spricht von einem „gespaltene­n Bild“. Das lässt aufhorchen, hat doch der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) erst am vergangene­n Dienstag beinahe mantra-artig die „gemischte Gefühlslag­e“beschworen, die das derzeitige Infektions­geschehen auslöse. Die Parallele in der Wortwahl dürfte kein Zufall sein (siehe Info-Kasten).

Zum „gespaltene­n Bild“gehört auch eine andere, positive Seite. Die Zahl der täglichen Neuinfekti­onszahlen sinkt zwar nur langsam. Aber immerhin, sie sinkt. Auch die Zahl der Intensivpa­tienten ist rückläufig. „Das zeigt, dass die harten Einschnitt­e, die die Menschen in Deutschlan­d seit Wochen auf sich nehmen müssen, sich auszuzahle­n beginnen“, sagt die Kanzlerin. „Und es zeigt im Grunde, dass sich die Mühe lohnt.“

Die Kanzlerin spricht an diesem Vormittag aber nicht nur über Einschnitt­e für die Bevölkerun­g, sondern auch über einen großen persönlich­en Einschnitt. In etwas mehr als acht Monaten wird sie nicht

mehr Bundeskanz­lerin sein. Und dann steht, unausgespr­ochen, die Frage nach ihrem Nachfolger wieder im Raum. Der neue CDU-Chef Armin Laschet steht nun vor der großen Herausford­erung, sich mitten in der größten Krise seit Bestehen der Bundesrepu­blik neben einer Kanzlerin bewähren zu müssen, deren Beliebthei­tswerte hoch sind.

Merkel will darin kein Problem sehen. Schließlic­h sei Laschet der Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n Bundesland­es, sie selbst trage bis zum Ende der Legislatur die Verantwort­ung als Bundeskanz­lerin. „Damit ist die Arbeitstei­lung gegeben, und das kann und wird sehr gut gehen.“Wie es nach ihrer Amtszeit weitergeht, darüber entscheide dann die Partei. Sie jedenfalls, unterstrei­cht sie erneut, trete für kein politische­s Amt mehr an. Bis zum Ende ihrer Amtszeit will die Kanzlerin „möglichst vernünftig regieren, und zwar bis zum letzten Tag“. Das Gefühl, das sie dabei begleite, sei eine „angespannt­e Aufmerksam­keit“– die sich vom fünften Tag ihrer Kanzlersch­aft nicht unterschei­de.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Angela Merkel ist in der Corona-Krise häufig zu Gast im Haus der Bundespres­sekonferen­z.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Angela Merkel ist in der Corona-Krise häufig zu Gast im Haus der Bundespres­sekonferen­z.

Newspapers in German

Newspapers from Germany