Rheinische Post Hilden

Die Sorge vor noch größerem Schaden

Gesundheit­sminister Jens Spahn und RKI-Präsident Lothar Wieler werben um Akzeptanz für die Verschärfu­ng des Corona-Lockdowns.

- VON JANA WOLF UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat um Verständni­s für die Verlängeru­ng des Corona-Lockdowns geworben. Zwar seien die seit einer Woche sinkenden Infektions­zahlen ermutigend und gingen in die richtige Richtung, sagte Spahn am Freitag. Dennoch seien sie immer noch auf zu hohem Niveau. Die Bundesregi­erung treibt die Sorge vor Virus-Mutationen um. Spahn machte keine Hoffnung auf ein schnelles Ende der Beschränku­ngen und verglich diese mit der Einnahme von Antibiotik­a: „Wenn man es zu früh absetzt, zu früh aufhört, kann daraus noch größerer Schaden entstehen.“

Die Zahl der neuen Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen sank laut Robert-Koch-Institut (RKI) auf 115,3 und damit auf den niedrigste­n Inzidenzwe­rt seit dem 1. November. RKI-Präsident Lothar Wieler zeigte sich trotz des rückläufig­en Trends jedoch besorgt über die anhaltend hohen Todeszahle­n. Am Freitag meldete das RKI 859 neue Fälle binnen eines Tages. Damit sind mittlerwei­le mehr als 50.000 Menschen in Deutschlan­d an oder mit Covid-19 gestorben. „Das ist eine bedrückend­e, für mich schier unfassbare Zahl“, sagte Wieler.

Ärztepräsi­dent Klaus Reinhardt warnte vor der Ermüdung der Bevölkerun­g bei der Einhaltung der Maßnahmen. „Es ist nachvollzi­ehbar, dass die Menschen nach zehn Monaten Pandemie ermüdet sind und die Corona-Schutzmaßn­ahmen als belastend empfinden“, sagte Reinhardt unserer Redaktion. Die Beschränku­ngen würden „bei vielen Menschen auch psychosozi­alen Stress“verursache­n, so Reinhardt. Wichtig sei deshalb, dass die Politik den Bürgern Perspektiv­en biete. Dazu gehöre eine klare Kommunikat­ion über die Impfkapazi­täten, die bis zum Sommer zunehmen würden. Der Bundesvors­itzende des Deutschen Hausärztev­erbands, Ulrich

Weigeldt, übte scharfe Kritik an den Schutzkonz­epten für Pflegeheim­e. „Es ist völlig unverständ­lich, dass die Regierung und ihre virologisc­hen Berater erst jetzt, allerdings auch noch halbherzig, die Menschen in den Heimen in den Fokus nehmen.“Weigeldt forderte eine schnelle Anpassung der Teststrate­gie. „Warum gelingt es im zweiten Jahr der Pandemie und trotz vorhandene­r Schnelltes­ts immer noch nicht, dass jeder, aber auch wirklich jeder, egal ob Pflegekraf­t, Köchin oder Gärtner, getestet wird, sobald er oder sie ein Pflegeheim betritt?“, fragte Weigeldt.

Die Spitzenver­treter der Pflegebran­che forderten die Länder auf, für mehr Impfkapazi­täten für Pflegende in Kliniken und Altenheime­n zu sorgen. „Es gibt deutlich mehr impfbereit­e Pflegende, als es Angebote zur

Impfung gibt. Es muss in einzelnen Bundesländ­ern deutlich nachgebess­ert werden, wie die Impfungen organisier­t werden“, sagte der Präsident des Deutschen Pflegerats, Franz Wagner. Markus Mai, Präsidiums­mitglied der Bundespfle­gekammer, sagte: „Erst diskutiere­n wir über die fehlende Impfbereit­schaft von Pflegekräf­ten, und jetzt wird klar: Das ist überhaupt nicht das Problem. Das Problem ist, dass der Impfstoff knapp ist und erste Länder wie NRW einen Impfstopp an Kliniken verhängt haben.“Der Stopp führe zum Vertrauens­verlust des Krankenhau­spersonals und sei „mit großer Enttäuschu­ng“verbunden, so Mai.

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FOTO: IMAGO IMAGES Jens Spahn informiert­e über die Corona-Lage.

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