„Die Buchbinderei hat eine Zukunft“
Seit 75 Jahren werden in einem Hinterhof an der Luisenstraße Bücher gebunden. Meisterin Ulrike Meysemeyer erzählt, was sie an dem so alten wie seltenen Handwerk fasziniert – und warum sie an dessen Zukunft glaubt.
FRIEDRICHSTADT Dass hier etwas Besonderes produziert wird, merkt man schon, wenn man den kleinen Hinterhof an der Luisenstraße betritt. Den Weg zum Ausstellungsraum säumen Vitrinen, in denen aufwendig gestaltete Bände wie Stamm- oder Gastebücher auf die Handwerkskunst hinweisen, die hier betrieben wird. Seit 75 Jahren schon befindet sich die Werkstatt der Buchbinderei Mergemeier in Friedrichstadt. Es ist einer von nur zwei Handwerksbetrieben dieser Art in Düsseldorf. „Es ist ein Beruf mit sehr langer Geschichte“, sagt Buchbindemeisterin und Betriebsleiterin Ulrike Meysemeyer, „und ein Betrieb mit sehr langer Tradition“.
Das Buchbinden bezeichnet den letzten Arbeitsschritt der Buchherstellung vom Ordnen und Zusammenfügen der Seiten bis zum Versehen des sogenannten Buchblocks mit einem Einband und der anschließenden Verzierung. Meysemeyer und ihre sechs Mitarbeiter binden Bücher für Geschäftsund Privatkunden, jedes davon ein Unikat. Bei Bedarf werden auch alte Bücher restauriert, an diesem Tag liegen im Ausstellungsraum neben Musterbüchern drei Bände, die von 1596, 1640 und 1704 stammen. „Und sie funktionieren bis heute, man kann sie immer noch lesen“, sagt Meysemeyer und blättert sichtlich begeistert eine Seite um, „einfach eine tolle Erfindung“.
Die 49-jährige gebürtige Düsseldorferin absolvierte schon ihre Ausbildung in der Werkstatt und kam 2009 zurück. Drei Jahre dauert die Ausbildung, derzeit lernt eine junge Frau ihr Handwerk hier. Ab 50 Euro aufwärts kostet eine Bindung, die meisten Aufträge können innerhalb einer Woche fertiggestellt werden.
Die Materialien sind vielfältig: Leder, Papier, Leinen – in allen Farben des Regenbogens. In der rund 200 Quadratmeter großen, offen gestalteten Werkstatt stehen Pressen, Leimrollen, Papierbohr- und -schneidemaschinen, dazwischen liegen fein sortiert Lesebändchen und Letter. Als Betriebsleiterin ist Meysemeyer zwar auch für Verwaltung und Buchhaltung zuständig – sie steht aber immer noch am liebsten selbst hinter den Maschinen. „Die Haptik der Seiten und Einbände, das Gefühl, mit den Händen etwas herzustellen und die Neugier auf das immer wieder aufs Neue einzigartige Produkt machen den Beruf für mich aus“, sagt sie.
Sorgen, dass es die Buchbinderei aufgrund des digitalen Wandels in Zukunft schwer haben könnte, hat Meysemeyer nicht. „Die besondere Haptik und das Nachhaltige funktionieren immer noch, gerade auch in einer digitalisierten Welt.“Ihren ersten Ausbildungsberuf – Reprofotografin – gebe es heute nicht mehr, doch beim Buchbinden sei sie zuversichtlich. „Vielen Menschen bedeuten Bücher einfach unheimlich viel“, sagt sie, „das sehen wir auch an
der Freude unserer Kunden, wenn sie ihre Bücher abholen“.
Eine Freude, die sie und das Team derzeit allerdings seltener erleben. „Wir spüren die Corona-Krise deutlich.“Die Werkstatt dürfe als produzierender Betrieb zwar auch im Lockdown weiter aufmachen, aber die Aufträge seien weniger geworden – vor allem bei den Geschäftskunden. Die Mitarbeiter sind derzeit in Kurzarbeit, anders gehe es nicht, sagt Meysemeyer. Doch sie ist überzeugt: Die Werkstatt und die Buchbinderei haben eine Zukunft. „Wir bedienen die Sehnsucht nach etwas, das greifbar und beständig ist. Und das wird bleiben.“