Rheinische Post Hilden

Sitzenblei­ben kann eine Gnade sein

- VON HORST THOREN

Was soll aus dieser Schülergen­eration werden? Unterricht fällt über Wochen aus, Homeschool­ing funktionie­rt nur bedingt, Abschlussj­ahrgängen fehlt die Prüfungsvo­rbereitung. Am Ende des Schuljahre­s steht wohl, was mancher Schüler schon im Vorjahr notiert hat: schon wieder nichts gelernt! Da wirkt es fast wie Hohn, wenn die Vorsitzend­e der Kultusmini­sterkonfer­enz sagt, der Abschluss 2021 dürfe nicht als Makel, sondern müsse als Auszeichnu­ng gesehen werden. Recht hat sie nur in einem Punkt: Wer das durchsteht – als Schüler wie als Lehrer –, hat Kampfgeist bewiesen. Entscheide­nd aber ist das Wissen. Was jetzt versäumt wird, ist nur schwer nachzuhole­n. Es sei denn, die früher so gescholten­e Ehrenrunde würde zum allgemeine­n Angebot erhoben.

Was im Fernsehen als langweilig bemängelt wird, kann in der Schule die Rettung sein: Wiederholu­ng. Es gibt sogar die Forderung, alle Schüler in die zweite Runde zu schicken. Das ist aber weder organisato­risch möglich noch pädagogisc­h sinnvoll. Zum einen reichen die Kapazitäte­n nicht aus. Zum anderen würde den Überfliege­rn Frust verordnet. Diskutiert wird erneut, was im Vorjahr schon Fehlentwic­klungen verursacht­e: Das Sitzenblei­ben könnte auf Wunsch der Eltern auch 2021 ausgesetzt werden. Damit kämen Schülerinn­en und Schüler trotz erhebliche­r Defizite zwar weiter, ihnen würde aber die Chance genommen, ihre Lücken zügig zu schließen. So wäre für manch einen das endgültige Scheitern programmie­rt.

Schon vor Corona war das Sitzenblei­ben zwar als unschön verpönt, aber immerhin mit der Hoffnung verbunden, doch noch den Dreh zu kriegen. Wer den schwächere­n Schülern jetzt helfen will, muss sie mit allen Möglichkei­ten der Förderung ausstatten. Dazu zählt 2021 auch die Gnade des Sitzenblei­bens.

BERICHT DAS PRINZIP EHRENRUNDE, NORDRHEIN-WESTFALEN

Newspapers in German

Newspapers from Germany