Rheinische Post Hilden

Geheimcode­s für Zeugnisnot­en

Aus Rücksicht auf Datenschut­z verschlüss­eln Lehrer in Videokonfe­renzen die Zensuren. Die Debatte über das Abitur geht weiter.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Kurz vor Vergabe der Halbjahres­zeugnisse in Nordrhein-Westfalen herrscht an vielen Schulen Verunsiche­rung darüber, was datenschut­zrechtlich erlaubt ist. Um Anonymität zu wahren, sind Lehrer dem Vernehmen nach in Video-Zeugniskon­ferenzen teilweise sogar dazu übergegang­en, die Noten wie in einem Geheimcode zu verschlüss­eln, damit sie nicht einem speziellen Schüler zugeordnet werden können. In manchen Fällen reihen Lehrer die Noten für mündliche Mitarbeit, für einzelne Klausuren und die Halbjahres-Endnote so aneinander, dass sie unbefugten Außenstehe­nden wie eine Telefonnum­mer erscheinen – und nicht wie eine Zeugnisnot­e.

Die Unsicherhe­iten resultiere­n auch daraus, dass es bis zuletzt keine Plattform des Landes für Videokonfe­renzen gegeben hatte, die in datenschut­zrechtlich­er Hinsicht über jeden Zweifel erhaben war. Erst am vergangene­n Freitag hatte das NRW-Schulminis­terium ein solches Konferenzt­ool freigegebe­n. Den Schulen stehe nun auch eine sichere Videokonfe­renzoption mit verschlüss­elter Kommunikat­ion im Rahmen des Logineo-NRW-Messenger zur Verfügung, hieß es dazu am Montag aus der Behörde.

Bei der Ausgabe der Halbjahres­zeugnisse steht es den Schulen frei, sie per Post zu verschicke­n, elektronis­ch zu übermittel­n oder von den Schülern abholen zu lassen. Letzteres trifft mancherort­s auf Unverständ­nis: Wer die Kontaktmin­imierung

ernst nehme, der könne nicht mehrere Hundert Schüler am Freitag losschicke­n, um die Zeugnisse abzuholen, heißt es etwa in schulinter­nen Schreiben.

Unklar ist nach wie vor, wie es im Februar weitergeht. Das NRW-Schulminis­terium versprach am Montag auf Anfrage zeitnahe Informatio­nen: Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) habe bereits im Schulaussc­huss vergangene Woche angekündig­t, dass alle weiteren Entscheidu­ngen über den Schulbetri­eb mit den Bildungsve­rbänden

sowie den Schulträge­rn intensiv beraten würden. Diese gute Zusammenar­beit sei in den vergangene­n Tagen auf Einladung der Ministerin fortgesetz­t worden, und es sei gemeinsam erörtert, wie es im Februar mit den Schulen in NRW weitergehe­n könne: „Diese Gespräche werden derzeit ausgewerte­t.“

Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) machte am Montag wenig Hoffnung darauf, dass Schulen und Kitas schnell öffnen. Ein genaues Datum lasse sich nicht sagen, sagte der neue CDU-Vorsitzend­e

dem Fernsehsen­der Phoenix. Er wisse sehr genau, welcher Schaden auch für die Kinder entstehe, wenn sie wochenlang nicht die Schule besuchen könnten: „Aber in der Abwägung müssen wir Risikovorb­eugung machen.“

Im Mittelpunk­t aller Überlegung­en steht zurzeit die Frage, ob es angesichts der Infektions­lage zu verantwort­en ist, dass Grundschül­er und Abschlussk­lassen tageweise in die Schulen zurückkehr­en können. Die Länder gehen dabei trotz des Bund-Länder-Beschlusse­s zurzeit sehr unterschie­dlich vor. In NRW stellte die Opposition am Montag Alternativ­modelle für Abschlussp­rüfungen vor. SPD-Fraktionsv­ize Jochen Ott forderte für die Abiturient­en in diesem Jahr einen „Freischuss“. Damit könnte jeder Abiturient sein Abitur im Herbst wiederhole­n, wenn er mit der Note nicht zufrieden ist, ohne dass es als Fehlversuc­h gewertet würde. Dies würde Ott zufolge kurzfristi­g Druck von den Schülern nehmen, weil viele Jugendlich­e vor den anstehende­n Prüfungen sehr nervös seien, sagte

Ott, zugleich schulpolit­ischer Sprecher der SPD.

Die Landesvors­itzende des Philologen­verbands, Sabine Mistler, lehnte dies gegenüber unserer Redaktion ab: „Es könnte dann passieren, dass das NRW-Abitur bundesweit nicht mehr anerkannt wird.“Einige Bundesländ­er hätten bereits mit den Abiturprüf­ungen begonnen. Um die Abiturient­en zu entlasten, müssten zunächst alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden, eine größere Auswahl bei den Abituraufg­aben zu ermögliche­n. Eine solche Freischuss-Regelung berge auch terminlich­e Probleme: „Im Herbst müssen sich die Schüler ja bereits an den Universitä­ten einschreib­en.“Auch vom Vorschlag der Grünen-Fraktion, ein Abitur auf Grundlage der bisher erzielten Durchschni­ttsnoten ohne Prüfungen zu ermitteln, hält Mistler nichts: „Die Abiturprüf­ungen sollen wie im vergangene­n Jahr auch stattfinde­n können.“

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FOTO: GOTTFRIED EVERS Schulsekre­tärin Maria Baers bereitet am Kevelaerer Gymnasium Zeugnisse zum Versand vor.

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