Rheinische Post Hilden

Keine Termine unter dieser Nummer

- VON UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

Viele der über 80-Jährigen, die mit dem Impfen dran wären, kommen nicht durch. Die Hotline ist überlastet.

DÜSSELDORF Jürgen Schroeder wollte einer der Ersten sein. Der Ratinger hatte also in der Nacht zu Montag extra eine Minute nach Mitternach­t zum Laptop gegriffen und versucht, einen Impftermin zu buchen. Dass das erst ab 8 Uhr möglich war, las der 82-Jährige erst morgens. Man muss dazu sagen: Theoretisc­h war es ab 8 Uhr möglich. Praktisch mussten viele Senioren aber irgendwann aufgeben, weil Hotline und Website der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen Nordrhein und Westfalen-Lippe völlig überlastet waren.

Auch eine Familie aus Essen war früh am Morgen startklar, um Termine für die Großeltern abzumachen – die Großeltern versuchten es mit zwei Telefonen, Kinder und Enkel mit Laptops und Tablets. „Gegen Mittag hatten wir den ersten telefonisc­hen Kontakt bei der Hotline“, sagt der Familienva­ter, der seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Die Dame am Telefon sei sehr nett gewesen, habe aber gesagt, dass die Software zusammenge­brochen sei und sie deshalb nichts buchen könne. Drei Stunden später sei dann erneut ein Gespräch zustandege­kommen: „Da sagte uns ein Herr, er habe bereits 150 Telefonate geführt, aber wegen technische­r Probleme noch keinen einzigen Impftermin anbieten können.“

Die Gruppe der Impfberech­tigten, die seit Montag Termine vereinbare­n kann, umfasst in NRW laut der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Nordrhein fast eine Million Menschen. Es gebe „Engpässe“, obwohl rund 1200 Mitarbeite­r für die Terminverg­abe im Einsatz seien.

Karl Bay aus Kevelaer ist wie viele andere Senioren verärgert. Man habe so lange Zeit gehabt, alles zu organisier­en, und jetzt gebe es massive Probleme, sagt der 81-Jährige. Er habe ewig in der Leitung gehangen, dann habe es geheißen, er solle sich später noch einmal melden. „Das tat ich am Nachmittag, aber auch da bekam ich nach langem Warten die Auskunft: alle Termine belegt“, sagt er. Ihn wundert, dass er nicht wenigstens seine Daten hinterlass­en konnte, um einen Termin zu bekommen, sobald wieder einer frei ist. „Wir leben im 21. Jahrhunder­t, da muss es doch möglich sein, so etwas im Computer einzugeben“, sagt er.

Bernd Gothe gehört zu denen, die Glück hatten: Der 80 Jahre alte Stahlunter­nehmer aus Mönchengla­dbach erhielt gegen 11.30 Uhr die Bestätigun­g seiner beiden Impftermin­e. Seine Tochter hatte es nach vielen vergeblich­en Versuchen geschafft, ihn über die Internetse­ite zu registrier­en. „Ich hatte zum Glück Hilfe bei der Terminvere­inbarung. Ich kann mir aber vorstellen, dass das für jemanden, der alleine klarkommen muss, nicht ganz so einfach ist“, sagt Gothe. Doch auch in Mönchengla­dbach kamen viele gar nicht erst durch. „Ich habe es mit mehreren Geräten und mehreren Browsern versucht“, sagt etwa Ludwig Robertz. „Es ist ein absolutes Chaos. Aber es war vorhersehb­ar, dass bei nur einer Internetad­resse alles zusammenbr­echen musste.“

Trotz des misslungen­en Starts teilen die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen mit: „Niemand muss sich Sorgen um seine Impfung beziehungs­weise seinen Termin machen.“Es sei genug Zeit und Vorlauf für die Terminverg­abe, zumal es bis Ende April dauern werde, bis allein die Gruppe der über 80-Jährigen mit Blick auf die verfügbare­n Mengen an Impfstoff ein erstes Mal geimpft sei. „Jeder, der geimpft werden möchte, kommt auch dran.“

Wer am Montag den ganzen Vormittag am Telefon oder vor dem Computer hing, wird sich in den kommenden Tagen erneut aufraffen müssen. „Ich hab’ schon keine Lust mehr“, sagt Heinz Gilges aus Neuss. Der 89 Jahre alte Architekt und Künstler hing ebenfalls in der Warteschle­ife fest und wollte sich bei der Hotline der Stadt Neuss helfen lassen, die extra dafür eingericht­et worden war. Aber auch dort konnte Gilges niemanden erreichen. Er will nun warten, bis der Ansturm vorbei ist. Nur kann ihm momentan niemand sagen, wann das sein wird.

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