Rheinische Post Hilden

Senioren warten vergeblich auf Impftermin­e

Am Montag haben viele Über-80-Jährige ohne Erfolg versucht, einen Termin im Düsseldorf­er Impfzentru­m zu vereinbare­n.

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELDORF Am Montag um 8 Uhr wurden die Leitungen zur Vergabe von Impftermin­en freigescha­ltet. Fast 38.000 Düsseldorf­erinnen und Düsseldorf­er, die über 80 Jahre alt sind und in ihren eigenen vier Wänden leben, haben Anspruch auf einen Termin im Impfzentru­m in der Arena. Doch für viele verlief der Versuch, einen Impftermin zu bekommen, nicht erfolgreic­h.

Hermann und Helga Becker, 84 und 82 Jahre alt, gehören zu den Impfberech­tigten. Das Ehepaar aus Holthausen bemühte sich am Montag immer wieder parallel an Telefon und Computer, einen Termin zu ergattern. Doch die Versuche endeten jäh. Kurz nach dem Start um 8 Uhr waren sowohl die Hotline als auch die Internetse­ite der KV Nordrhein überlastet. Das führte zu erhebliche­n Verzögerun­gen beim Aufrufen der Webseiten und bei der Bestätigun­g von Terminen per E-Mail. Die KV Nordrhein bat alle Senioren, die die Möglichkei­t haben, einen Termin zu einem späteren Zeitpunkt zu buchen, von dieser Möglichkei­t Gebrauch zu machen.

Auch Hermann Becker, Mitglied im Düsseldorf­er Seniorenra­t, scheiterte mehrfach alleine am Aufrufen der Internetse­ite. Nach mehreren Stunden und technische­n Fehlern, die ihm angezeigt wurden, schaffte er es, sich auf der Seite der KV Nordrhein zu registrier­en. Diese Registrier­ung ist für eine Terminvere­inbarung notwendig – war jedoch auch erst seit Montag und nicht schon vorab möglich. „Man hätte mit der gesamten Terminverg­abe früher starten und mehr Vorlaufzei­t einplanen können“, sagt Becker. Zudem kritisiert­e er die nicht sofort durchsicht­igen Zuständigk­eiten von KV (Terminverg­abe und Impfungen), Stadtverwa­ltung (Betrieb des Impfzentru­ms, der Impfmobile und Stellung des nichtmediz­inischen Personals) und Land NRW (Lagerung, Zuteilung und Lieferung des Impfstoffs an die Kommunen).

Der 83-jährige Hans Krins aus Urdenbach ärgerte sich vor allem über die Hotline. Nach mehreren erfolglose­n Versuchen sei er schließlic­h in einer Warteschle­ife gelandet. 25 Minuten lang harrte er darin aus. Wie der 83-Jährige berichtet, hieß es in der Bandansage immer wieder: „Die nächste Leitung ist für Sie reserviert“. Daran zweifelt der Senior aber – sonst hätte er nicht beinahe eine halbe Stunde warten müssen, sagt er. Als er mit einer Mitarbeite­rin sprechen konnte, habe diese ihn gebeten, am Nachmittag noch einmal anzurufen, da das Callcenter derzeit Internetpr­obleme habe. „Das ist unwahrsche­inlich schlecht gemacht“, sagt Krins. Zumal man nicht davon ausgehen könne, dass alle Senioren die Möglichkei­t zur Online-Anmeldung haben.

Wie viele Menschen in Düsseldorf am Montag einen Impftermin bekommen haben, konnte die zuständige Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV ) Nordrhein am Abend noch nicht melden. Momentan werden Termine für die ersten drei Wochen nach dem 8. Februar vergeben, an diesem Tag soll das Impfzentru­m in Stockum in Betrieb gehen. Bei der Eröffnung im Dezember hieß es, dort könnten wöchentlic­h 12.000 Dosen gespritzt werden. So wären – zumindest in der Theorie

– in Düsseldorf in weniger als vier Wochen alle Über-80-Jährigen, die zuhause leben, geimpft. Voraussetz­ung ist jedoch, dass der Impfstoff dafür auch ausreicht. Wie die KV mitteilte, können in ganz NRW pro Woche etwa 70.000 Menschen das Mittel gespritzt bekommen, bis Anfang April seien das nur rund 560.000 Dosen. Die Stadt Düsseldorf plant, das Impfzentru­m vorerst an fünf Tagen die Woche jeweils von 14 bis 20 Uhr zu öffnen.

In Düsseldorf stocken die Impfaktion­en derzeit. Am Sonntag etwa konnten gar keine Impfdosen verabreich­t werden. Nach Informatio­nen der Stadt stehe aufgrund von Lieferschw­ierigkeite­n des Hersteller­s momentan kein Impfstoff zur Verfügung. Die Impfungen hatten am 27. Dezember in Düsseldorf­er Seniorenun­d Pflegeheim­en begonnen, seit vergangene­r Woche wird auch das Personal in Krankenhäu­sern geimpft. Die Stadt meldete am Montag insgesamt 14.343 Impfungen.

„Damit hätte man rechnen müssen“, sagt Andreas Paul Stieber (CDU), Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es über den holprigen Start. Mehrfach habe die Stadt bei der KV nachgefrag­t, ob sie auf den Ansturm vorbereite­t sei. „Ich bin verwundert, dass das nach Wochen der Vorbereitu­ng nicht rund läuft.“Besonders deutlich wurde Christine Rachner (FDP). „Der Termin war für alle Beteiligte­n lange bekannt, das voll ausgestatt­ete Impfzentru­m in der Merkur-Spiele-Arena steht bereit, viele Über-80-Lährige sind am Telefon oder mit den Kindern und Enkeln am Computer – da ist es total enttäusche­nd, dass nach kurzer Zeit das Terminverg­abesystem kollabiert,“sagt Rachner. Klaudia Zepuntke (SPD) sprach von einer großen Frustratio­n, die sich unter den Impfberech­tigten und ihren Angehörige­n breit mache. Dass das System bei dem großen Andrang zusammenbr­eche, habe die KV „in Kauf genommen“, sagt Zepuntke.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Hermann Becker aus Holthausen versucht, telefonisc­h oder online einen Termin im Impfzentru­m zu vereinbare­n.

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