Rheinische Post Hilden

Schüler torpediere­n Videokonfe­renzen

Störmanöve­r mit lauter Musik und Zwischenru­fen sorgen am Annette-Gymnasium für Diskussion­en. Zwei Lehrer berichten Eltern auch über pornografi­sche sowie Tier-Geräusche. Für einige Tage soll es keine Konferenze­n geben.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Plötzlich eingespiel­te laute Musik, falsche Identitäte­n, weggeklick­te Lehrer und Geräusche, die auf einige so wirkten, als kämen sie von Tieren oder aus einem Sexfilm: Mit solchen Störmanöve­rn haben einige Zehntkläss­ler des Benrather Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums Videokonfe­renzen gestört. Diese sind Bestandtei­l des aktuell laufenden Distanzunt­errichts und gehören zum Konzept des digitalen Lernens. In der Schulgemei­nde sorgt das für Diskussion­en. Zumal es laut einer Mail von Elternvert­retern am vergangene­n Freitag auch in einer achten Klasse zu „massiven Störungen“des Englischun­terrichts „durch Musik und andere Sachen“gekommen sein soll. „Wie können wir verhindern, dass Schüler Konferenze­n torpediere­n und so in den Abbruch treiben?“, fragen irritierte Mütter und Väter. Die wichtigste­n Fakten:

Was ist im Einzelnen passiert?

In einem Schreiben an die Eltern der Zehntkläss­ler erläutern zwei Lehrer der Einführung­sstufe (EF) ausführlic­h, „mit welchen vielfältig­en Störungen wir momentan zu tun haben“. Dazu zähle auch das plötzliche „Einspielen lauter Musik oder pornografi­scher Geräusche oder das Hineinrufe­n von Tiergeräus­chen“, heißt es in der Info an die Eltern. Geräuschar­ten, die der kommissari­sche Schulleite­r Raphael Flaskamp nicht bestätigen möchte.

Ein weiteres Problem: Einige Schüler melden sich unter falschem Namen an. Teilweise würden die Namen anderer Kursteilne­hmer genutzt. Offenbar hätten sich auch Schüler in die Videokonfe­renzen eingewählt, die gar nicht dem betreffend­en Kurs angehörten. Ähnliche Manöver beschreibe­n auch die Elternvert­reter aus der achten Klasse. „Einige klassenfre­mde Nutzer“hätten sich in die Konferenz eingeschli­chen und diese „massiv gestört“. Dafür hätten sie die Namen von Kindern der betreffend­en Klasse genutzt und diese zum Teil auch aus der Konferenz rausgeworf­en. „Offenbar finden das einige lustig, aber ich halte gar nichts davon. Wenn schon kein normaler Unterricht stattfinde­t, sollte man doch froh sein, dass wir mit Hilfe der Plattforme­n lernen können“, sagt eine 15-jährige Annette-Schülerin.

Was sind die Motive der Schüler?

Flaskamp, der neben dem Gymnasium am Poth in Gerresheim zurzeit auch das Annette-Gymasium leitet, sieht in den aktuellen Vorgängen „kein strukturel­les Problem“. Seit fast einem Jahr arbeite er an inzwischen zwei Standorten mit diversen digitalen Plattforme­n. „Es sind die ersten Fälle, die mir untergekom­men sind“, sagt der Pädagoge. Dem Fehlverhal­ten von vielleicht einer Hand voll Schülern in der Pubertät stünden 1000 Heranwachs­ende gegenüber, die sich an alle Absprachen hielten.

Wird es Sanktionen geben?

Ja. Jedenfalls für jene, die inzwischen als Urheber feststehen. „Relativ entspannt, aber auf der anderen Seite eben auch sehr konsequent“, will der Schulleite­r reagieren. Natürlich müsse die Missachtun­g von Regeln und Absprachen spürbare Folgen haben. „Welche das im Einzelnen sind, besprechen wir im Kollegium“, sagt Flaskamp. Angedacht sei im Sinne einer erzieheris­chen Maßnahme, die Videokonfe­renzen voraussich­tlich für einige Tage auszusetze­n. Dies geschehe womöglich nach den in dieser Woche laufenden Praktika der Zehntkläss­ler.

Gibt es technische Lösungen, um Störungen zu verhindern?

Das ist zumindest bei der am Annette-Gymnasium verwendete­n Plattform nicht so einfach. Nach Einschätzu­ng der EF-Stufenlehr­er scheitert der vermeintli­ch einfachste Weg, nur noch Schüler mit eingeschal­teter Kamera an den Konferenze­n teilnehmen zu lassen, immer wieder an technische­n Problemen. So verfügten nicht alle Schüler zu Hause über eine Webcam. „Und wenn alle Kameras eingeschal­tet sind, fliegen manche Teilnehmer immer wieder aus den Konferenze­n“oder die Audioquali­tät werde so schlecht, dass Gespräche nicht mehr nachvollzo­gen werden könnten.

Einen Wechsel der Lernplattf­orm, wie ihn einige Lehrer und Eltern angeregt haben, hält Flaskamp aber nicht für geboten. Der organisato­rische Aufwand einer solchen Umstellung sei enorm. Das nun zu machen, weil einige wenige die Regeln missachtet und mit unangemess­enen Beiträgen den Fernunterr­icht gestört hätten, sei nicht verhältnis­mäßig.

Welche Erfahrunge­n gibt es an anderen Schulen?

Angelika Pick, die das Lore-Lorentz-Kolleg leitet, arbeitet mit der Software Microsoft Teams und sagt: „Man kann sich nur über die schulische Mailadress­e sowie nach vorheriger Einladung zuschalten, das hat bis jetzt reibungslo­s funktionie­rt. Wenn trotzdem einer meint, Quatsch erzählen zu müssen, schalten wir ihn einfach stumm.“

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Am Benrather Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium wurden in Kursen der Jahrgangss­tufe 10 sowie in einer achten Klasse Videokonfe­renzen massiv gestört.

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