Schüler torpedieren Videokonferenzen
Störmanöver mit lauter Musik und Zwischenrufen sorgen am Annette-Gymnasium für Diskussionen. Zwei Lehrer berichten Eltern auch über pornografische sowie Tier-Geräusche. Für einige Tage soll es keine Konferenzen geben.
DÜSSELDORF Plötzlich eingespielte laute Musik, falsche Identitäten, weggeklickte Lehrer und Geräusche, die auf einige so wirkten, als kämen sie von Tieren oder aus einem Sexfilm: Mit solchen Störmanövern haben einige Zehntklässler des Benrather Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums Videokonferenzen gestört. Diese sind Bestandteil des aktuell laufenden Distanzunterrichts und gehören zum Konzept des digitalen Lernens. In der Schulgemeinde sorgt das für Diskussionen. Zumal es laut einer Mail von Elternvertretern am vergangenen Freitag auch in einer achten Klasse zu „massiven Störungen“des Englischunterrichts „durch Musik und andere Sachen“gekommen sein soll. „Wie können wir verhindern, dass Schüler Konferenzen torpedieren und so in den Abbruch treiben?“, fragen irritierte Mütter und Väter. Die wichtigsten Fakten:
Was ist im Einzelnen passiert?
In einem Schreiben an die Eltern der Zehntklässler erläutern zwei Lehrer der Einführungsstufe (EF) ausführlich, „mit welchen vielfältigen Störungen wir momentan zu tun haben“. Dazu zähle auch das plötzliche „Einspielen lauter Musik oder pornografischer Geräusche oder das Hineinrufen von Tiergeräuschen“, heißt es in der Info an die Eltern. Geräuscharten, die der kommissarische Schulleiter Raphael Flaskamp nicht bestätigen möchte.
Ein weiteres Problem: Einige Schüler melden sich unter falschem Namen an. Teilweise würden die Namen anderer Kursteilnehmer genutzt. Offenbar hätten sich auch Schüler in die Videokonferenzen eingewählt, die gar nicht dem betreffenden Kurs angehörten. Ähnliche Manöver beschreiben auch die Elternvertreter aus der achten Klasse. „Einige klassenfremde Nutzer“hätten sich in die Konferenz eingeschlichen und diese „massiv gestört“. Dafür hätten sie die Namen von Kindern der betreffenden Klasse genutzt und diese zum Teil auch aus der Konferenz rausgeworfen. „Offenbar finden das einige lustig, aber ich halte gar nichts davon. Wenn schon kein normaler Unterricht stattfindet, sollte man doch froh sein, dass wir mit Hilfe der Plattformen lernen können“, sagt eine 15-jährige Annette-Schülerin.
Was sind die Motive der Schüler?
Flaskamp, der neben dem Gymnasium am Poth in Gerresheim zurzeit auch das Annette-Gymasium leitet, sieht in den aktuellen Vorgängen „kein strukturelles Problem“. Seit fast einem Jahr arbeite er an inzwischen zwei Standorten mit diversen digitalen Plattformen. „Es sind die ersten Fälle, die mir untergekommen sind“, sagt der Pädagoge. Dem Fehlverhalten von vielleicht einer Hand voll Schülern in der Pubertät stünden 1000 Heranwachsende gegenüber, die sich an alle Absprachen hielten.
Wird es Sanktionen geben?
Ja. Jedenfalls für jene, die inzwischen als Urheber feststehen. „Relativ entspannt, aber auf der anderen Seite eben auch sehr konsequent“, will der Schulleiter reagieren. Natürlich müsse die Missachtung von Regeln und Absprachen spürbare Folgen haben. „Welche das im Einzelnen sind, besprechen wir im Kollegium“, sagt Flaskamp. Angedacht sei im Sinne einer erzieherischen Maßnahme, die Videokonferenzen voraussichtlich für einige Tage auszusetzen. Dies geschehe womöglich nach den in dieser Woche laufenden Praktika der Zehntklässler.
Gibt es technische Lösungen, um Störungen zu verhindern?
Das ist zumindest bei der am Annette-Gymnasium verwendeten Plattform nicht so einfach. Nach Einschätzung der EF-Stufenlehrer scheitert der vermeintlich einfachste Weg, nur noch Schüler mit eingeschalteter Kamera an den Konferenzen teilnehmen zu lassen, immer wieder an technischen Problemen. So verfügten nicht alle Schüler zu Hause über eine Webcam. „Und wenn alle Kameras eingeschaltet sind, fliegen manche Teilnehmer immer wieder aus den Konferenzen“oder die Audioqualität werde so schlecht, dass Gespräche nicht mehr nachvollzogen werden könnten.
Einen Wechsel der Lernplattform, wie ihn einige Lehrer und Eltern angeregt haben, hält Flaskamp aber nicht für geboten. Der organisatorische Aufwand einer solchen Umstellung sei enorm. Das nun zu machen, weil einige wenige die Regeln missachtet und mit unangemessenen Beiträgen den Fernunterricht gestört hätten, sei nicht verhältnismäßig.
Welche Erfahrungen gibt es an anderen Schulen?
Angelika Pick, die das Lore-Lorentz-Kolleg leitet, arbeitet mit der Software Microsoft Teams und sagt: „Man kann sich nur über die schulische Mailadresse sowie nach vorheriger Einladung zuschalten, das hat bis jetzt reibungslos funktioniert. Wenn trotzdem einer meint, Quatsch erzählen zu müssen, schalten wir ihn einfach stumm.“