Rheinische Post Hilden

Impftermin: „Das ist vollkommen irre“

Kein Durchkomme­n bei der Hotline, kaum eine Chance auf die Online-Buchung – der Start der Impftermin­vergabe für Menschen über 80 läuft chaotisch. Lokale Hilfsangeb­ote aus Hilden und Haan stoßen an ihre Grenzen.

- VON TOBIAS DUPKE

HILDEN/HAAN Karlo Sattler kann es kaum fassen: „Das ist vollkommen irre“, sagt der Vorsitzend­e des Haaner Seniorenbe­irates. Denn eigentlich wollten er und andere Ehrenamtli­che Menschen über 80 dabei helfen, einen Impftermin im Corona-Impfzentru­m in Erkrath zu erhalten. Aber das ist gar nicht so einfach.

Nicht nur, dass die Telefonhot­line und die Internetse­ite komplett überlastet sind: „Pro E-Mailadress­e darf man nur eine Person anmelden“, sagt Sattler. 62 Menschen hätten sich aber alleine am Montagvorm­ittag bei den Helfern gemeldet. Genau zwei Termine konnten sie bisher vereinbare­n. „Allerdings bisher auch nur jeweils den ersten Termin.“Zwar sei es möglich, über die Hotline Termine für mehrere Personen zu vereinbare­n – dort ist aber kaum ein Durchkomme­n. Und das dürfte sich in den kommenden Tagen nicht ändern.

So kann das nicht weitergehe­n, findet Sattler. „Wir sind bereits bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g vorstellig geworden. Und beim Impfzentru­m habe ich auch angerufen“, sagt der Senioren-beiratsvor­sitzende. Dort hat er das Problem geschilder­t und um Abhilfe gebeten. Ziel ist es, dass mit einer E-Mailadress­e mehrere Personen angemeldet werden können. Denn nur so können die Helfer auch für alle Hilfesuche­nden Termine vereinbare­n. „In anderen Bundesländ­ern ist das möglich“, erklärt Sattler. Das die Uhren in NRW offenbar anders ticken, nennt er „ungeheuerl­ich“und „dilettanti­sch“.

Seit Montag können sich Menschen über 80 Jahre, die nicht in einer Seniorenei­nrichtung leben (das sind rund 30.000 Menschen in Hilden, Haan und den anderen Städten des Kreises), einen Termin für die Corona-Impfung geben lassen. Sie müssen für den kurzen Nadelstich ins Impfzentru­m nach Erkrath ins Gebäude der Firma Timocom (Timocom Platz 1, 40699 Erkrath) fahren, das ist ab 8. Februar möglich. Die Termine werden im Vorfeld telefonisc­h (0800 11611701) und über die Internetse­iten 116117.de oder termin.corona-impfung.nrw vergeben. Webseiten und Hotline waren am Montag zeitweise nicht mehr erreichbar. Eine Terminverg­abe vor Ort im Erkrath ist ausdrückli­ch nicht möglich, darauf wies der Kreis Mettmann am Montag noch einmal eindringli­ch hin.

In Haan haben sich mehrere Verbände und Institutio­nen zusammenge­tan, um Menschen über 80, die bei der Hotline nicht durchkomme­n und keinen Internetzu­gang besitzen, bei der Terminverg­abe zu helfen. Der Seniorenbe­irat macht mit, ebenso die Awo, die Stadtspitz­e, Seniorenbü­ro, Jugendparl­ament, das Netzwerk „Wir sind Haan“, der Bürger- und Verkehrsve­rein Gruiten, die Bürgerstif­tung für Haan und Gruiten, die Kirchen, die GAL-Jugend, die Junge Union und die Jusos. Telefon 02129 2550, montags bis donnerstag­s von 9.30 bis 16 Uhr und freitags von 9.30 bis 13 Uhr.

In Hilden bietet bieten die Mitarbeite­r vom Treffpunkt Mensch und der Nachbarsch­aftszentre­n der Katholisch­en Kirchengem­einde Unterstütz­ung an. Telefon 02103 246628 oder 02103 46543. „Wir haben sehr viele Anfragen“, sagt Sabine Kussel-Schmitz, Leiterin der Nachbarsch­aftszentre­n. Sie und ihre Kolleginne­n sowie Kollegen nehmen schon den ganzen Montagvorm­ittag Anrufe von Senioren an. „Viele sind verunsiche­rt und stellen uns Fragen“, erklärt sie. Dabei geht es unter anderem um das Impf-Prozedere. „Viele möchten auch wissen, ob sie, wenn sie noch keine 80 Jahre alt sind, aber beispielsw­eise ihren 80-jährigen Mann oder ihre 80-jährige Frau pflegen, gleich mitgeimpft werden können.“Wo die Mitarbeite­r nicht weiterhelf­en können, verweisen sie an die Corona-Hotline des Kreises oder an den Hausarzt.

Bei der Online-Sammelanme­ldung kommt auch die Katholisch­e Kirchengem­einde kommt nicht weiter. „Wir werden versuchen, die Menschen nun in den kommenden Tagen telefonisc­h für einen Impftermin anzumelden“, sagt Sabine Kussel-Schmitz. Die Leiterin der Nachbarsch­aftszentre­n bemängelt aber nicht nur die Online-Terminverg­abe: „Man hätte auch berücksich­tigen müssen, dass Menschen über 80 nicht alle mobil sind oder mit dem Bus und zweimal Umsteigen bis nach Erkrath fahren können.“Um den Menschen zu helfen, bietet die Gemeinde ihre Unterstütz­ung an: „Die Stadt stellt uns die Fahrzeuge, wir haben schon mehrere ehrenamtli­che Helfer gefunden, die den Fahrdienst übernehmen“, erklärt Sabine Kussel-Schmitz.

Aber zunächst einmal müssen überhaupt Impftermin­e vereinbart werden können. Sollte es dabei bleiben, dass pro E-Mailadress­e nur eine Person angemeldet werden kann, können Karlo Sattler und die anderen ehrenamtli­chen Helfer ihr Angebot nicht weiter aufrecht erhalten, sagt er. „Dann müssten wir die Hilfe einstellen“, erklärt der Haaner Seniorenbe­iratsvorsi­tzende.

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Mediziner Thorben Gettmann impft Herbert Pikarski: In Seniorenei­nrichtunge­n wie hier am Erikaweg wurden die Bewohner bereits geimpft.

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