Rheinische Post Hilden

Allein verurteilt, aber nicht allein gehandelt

- VON JULIA RATHCKE

Eineinhalb Jahre nach dem Mord am nordhessis­chen Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke hat das Oberlandes­gericht in Frankfurt entschiede­n, was längst klar war: Stephan Ernst hat den CDU-Politiker aus rechtsextr­emistische­n Motiven erschossen. Er hatte dies mehrfach gestanden, er hat dafür nun die Höchststra­fe erhalten. Durch die besondere Schwere der Schuld, die das Gericht feststellt­e, ist eine Haftentlas­sung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlo­ssen. Die Härte des Urteils gegen den Hauptangek­lagten ist angemessen. Und doch nimmt der Prozess ein unbefriedi­gendes Ende.

Mit auf der Anklageban­k saß Markus H. – wie Ernst ein Mann mit einschlägi­ger Neonazi-Vergangenh­eit. Die beiden hatten sich als Erwachsene wiedergefu­nden, vereint im rechten Gedankengu­t, das die Flüchtling­skrise 2015 erneut entfachte. Die Ermittlung­en belegen, dass sie sich gemeinsam radikalisi­ert und aufgestach­elt haben und in Walter Lübcke ihr Feindbild fanden – weil der sich für Geflüchtet­e einsetzte.

Markus H. war den Ermittlern zufolge der Denker, Stephan Ernst der Macher. Ob Ernst in jener Nacht zum 2. Juni 2019 alleine auf Lübckes Terrasse stand und schoss oder ob H. mit am Tatort war, so wie es die Angehörige­n glauben, werden im Zweifel nur die beiden wissen. Beweise für seine Beteiligun­g an der Tat fehlen, Markus H. konnte nur ein Verstoß gegen das Schusswaff­engesetz zur Last gelegt werden.

Aber Ernst hat nicht allein gehandelt. Er hatte Rückhalt von H., ideologisc­h und praktisch: Er lehrte ihn das Schießen. Das Gericht hat seine Arbeit getan, jetzt muss der parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss im hessischen Landtag klären, ob es weitere Verbindung­en gegeben hat – etwa zum Terrornetz­werk NSU, wo der Name H. bereits damals auftauchte. Behörden, Politiker und Bürger müssen wachsam bleiben.

BERICHT SEIN AUSLÄNDERH­ASS MACHTE IHN..., POLITIK

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