Spitzenreiter und Schlusslicht
eher ins Homeoffice verlagern. Günstig für die Eindämmung der Pandemie ist auch das Umland. „Die Lage der Stadt mit ihrem ländlichen Umfeld ist ideal, um die Zahl der Infektionen niedrig zu halten.“Pendler kämen nach Münster zudem häufiger mit dem Auto als mit der Bahn.
Die Stadt handelt aber auch schnell. Als erste Großstadt in NRW führte Münster im April die Maskenpflicht im öffentlichen Raum ein. Auch bei der Gründung eines Krisenstabs war die Stadt unter den Ersten. Eine Sprecherin sagt, dass auch die Haltung der Münsteraner etwas mit dem Erfolg zu tun haben könnte. Die Bürger seien diszipliniert und solidarisch, sagt sie. „Man sieht im Straßenbild nur sehr selten Menschen ohne Mund-Nasen-Schutz.“
Epidemiologe Karch ist da zurückhaltender. Das schnelle Handeln der Stadt spiele „im Gesamtkontext nur eine untergeordnete Rolle“, sagt er. Ja, die Bevölkerung habe die Maßnahmen gut angenommen, größere Probleme habe es nicht gegeben. „Dies trifft allerdings auch auf viele anderen Städte und Regionen zu, die aktuell mit einer höheren Krankheitslast zu kämpfen haben.“Man solle den Zufall nicht unterschätzen.
Eine Lockerung der Maßnahmen kommt für die Stadt nicht infrage – auch wenn die Corona-Schutzverordnung
des Landes das zulassen würde. Bleibt ein Kreis oder eine kreisfreie Stadt an sieben aufeinanderfolgenden Tagen unter der Inzidenz von 50, können die Schutzmaßnahmen in Absprache mit dem Gesundheitsministerium gelockert werden. „Das ist aktuell nicht geplant“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Münster wolle keine „fahrlässigen Lockerungen in Aussicht stellen“. Es gebe dafür keinerlei Anlass, insbesondere im Hinblick auf die in Deutschland aufgetauchten Corona-Mutationen.
Hagen Anfang des Jahres gingen sie fast immer Hand in Hand: Die Sieben-Tage-Inzidenz in Hagen und die des Landes. Zeitweise lag die Stadt sogar leicht unter dem Landesschnitt. Seit dem 14. Januar gehen die Werte stetig auseinander. Aktuell liegt die Inzidenz in Hagen bei 212, Tendenz steigend. Die NRW-Inzidenz ist indes bei 93, Tendenz sinkend. Gemessen an der Einwohnerzahl breitet sich das Coronavirus in Hagen aktuell in NRW mit großem Abstand am schnellsten aus. Doch warum ausgerechnet dort?
„Einzelne größere Ausbrüche, zum Beispiel in Alten- oder Pflegeheimen, können enorme Effekte auf die Sieben-Tage-Inzidenz haben“, sagt Epidemiologe Karch aus Münster. Während seine Stadt bisher davon verschont bleibt, passiert in Hagen genau das Gegenteil, und zwar immer wieder.
Der jüngste Ausbruch in Hagen ist im Helmut-Turck-Zentrum geschehen, einem Altenheim der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Die Stadt meldet das Geschehen am Dienstag als „akuten Ausbruch.“17 Personen sind in der Einrichtung der Awo mit dem Coronavirus infiziert. In der Seniorenresidenz Curanum, weniger als sechs Kilometer weiter, gibt es 14 Infizierte. Hinzu kommen noch 90 positiv Getestete, die sich auf neun weitere Alten- und Pflegeheimen verteilen.
Seit ein paar Tagen kommen in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung in Hagen weitere Ausbrüche hinzu. Zunächst registrierte das Gesundheitsamt positive Fälle in einer Werkstatt für behinderte Menschen, danach in einer Wohneinrichtung im benachbarten Ennepe-Ruhr-Kreis. Die Gruppen vermischten sich: Am Arbeitsplatz, in den Wohneinrichtungen, auf den gemeinsamen Fahrten. Inzwischen sind fünf Wohneinrichtungen davon betroffen. Die Stadt bestätigte dort nach einer ersten Testwelle mehr als 50 positive Fälle, dazu 20 weitere Beschäftigte, die privat wohnen.
Seit Anfang des Jahres testet Hagen aber auch anders. „Wir haben unser Testregime geändert und testen Kontaktpersonen der Kategorie eins zweimal“, sagt Anjali Scholten, Leiterin des Hagener Gesundheitsamts. Es wird nun nicht nur zu Beginn der Quarantäne getestet, sondern auch kurz vor ihrem Ende. „Somit erkennen wir Infektionen, die ohne die zweite Testung wahrscheinlich unerkannt geblieben wären“, sagt Scholten.
Ein Blick auf das Umland von Hagen zeigt, dass die Stadt gegenüber Münster auch geografisch im Nachteil ist, zumindest was die Bekämpfung der Pandemie angeht. Denn Hagen liegt am Rande des Ruhrgebiet – dem größten Ballungsraum Deutschlands.