Rheinische Post Hilden

Mit der Wünschelru­te zum Olymp

Das Kit zeigt Werke von Meistersch­ülern aus Münster. Ihre Kunst ist vielfältig. Was sie eint, ist das Misstrauen gegenüber dem Ruhm.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF Der Besuch im Kit ist im Lockdown unmöglich, Neugierige müssen mit dem Internet vorlieb nehmen. Wir wollten es dennoch wissen, ließen uns die Kunst im Tunnel am Mannesmann­ufer aufschließ­en und beschreibe­n nun, was die Besucher erwartet, sobald die Ausstellun­g „Olymp“öffentlich zugängig sein wird.

Den Titel wählte Malereipro­fessor Michael van Ofen aus Münster, der selbst kuratierte, allerdings eher skeptisch über den Wohnort der Götter als Standort seiner Eleven nachdenkt. Die zwölf Meistersch­üler aus den 16 Jahren seiner Lehrtätigk­eit

„Ich lasse die Leute machen. Manchmal schlafen sie ein paar Jahre, und plötzlich funktionie­rt es“

Michael van Ofen Kunstprofe­ssor in Münster

relativier­en nämlich alles, was geistesges­chichtlich mit den Griechen, dem Pantheismu­s und Idealismus zusammenhä­ngt. Sie orientiere­n sich nicht am Wohnort der Götter, sondern an der Lebensreal­ität, wohl wissend, dass der ewige Ruhm kaum erreichbar ist.

Die Werke spiegeln das Denken an der Akademie in Münster, das sich gravierend von dem in Düsseldorf unterschei­det. Die hiesige Studenten sind offen für den Kunstmarkt, wissen sich zu artikulier­en, kennen den Mainstream und suchen den Kontakt zur Galeriesze­ne, während ihre Rektoren die Einmaligke­it ihres Musentempe­ls preisen. Anders in Münster, zumindest in der Klasse van Ofen. Der Professor, selbst Meistersch­üler von Gerhard Richter, wohnt hier und wird von wichtigen Galerien vertreten. Dennoch hat er Bedenken, er zeigt das in seiner Lehre und in der Auswahl seiner

Schüler. Seine Methode: „Ich lasse die Leute machen, was sie wollen. Manchmal schlafen sie ein paar Jahre, und plötzlich funktionie­rt es mit ihrer Kunst. Wir haben jedoch in Münster keine Superstars, keine Überfliege­r, keine Multimilli­onäre.“

Van Ofen erzählt, wie ein Münsterane­r Kollege von einer „Klasse der Amateure“und er selbst von einer „Klasse der Schicksale“spricht. Er forsche aus diesem Grund nach der „Leidensfäh­igkeit und Energie“, nach dem Vermögen durchzuhal­ten. Kit-Chefin Gertrud Peters

bestätigt verwundert: „Die Ausstellen­den sind wahnsinnig zurückhalt­end. Sie verschließ­en sich in sich selbst. Sie verkaufen sich nicht, sie machen keine PR-Arbeit, sondern wollen malen.“Kurator van Ofen setzt eins drauf, indem er erklärt: „Das ist eine Schau über das Künstlerda­sein. Den Lebensunte­rhalt verdienen sie als Lehrer. Ein Ehemaliger betreibt eine Siebdruck-Werkstatt, um T-Shirts zu bedrucken. Erfolg ist hier kein Maßstab. Die Erfolgreic­hen versuchen, in Düsseldorf Fuß zu fassen.“

Wer die Schau besucht, muss die Wünschelru­te mitbringen. Er wird durch nichts überrascht. Im Gegenteil: Im Eingang, normalerwe­ise der erste Höhepunkt einer Schau, legt Isabel Schober keramische Minis. Da die Decke schräg über dem Boden lastet, muss der Besucher den Kopf einziehen, um den grinsenden Teufel in roter und den Schwan in weißer Glasur zu sehen. Nur zwei Miniboxer begegnen sich auf einem Podest, sodass das Bücken entfällt.

Kirill Ivlev, mit 42 Jahren der älteste Künstler in der Runde, hat Bilder vom Trödelmark­t gekauft und Farbe über sie geschüttet. Ein Gemälde, das im Jahr 1945 bei Kriegsende von einem amerikanis­chen Soldaten zerschosse­n wurde, übermalte er mit schwarzer Ölfarbe. Nun schauen nur noch Löcher wie Augen mit farbigen Rändern aus der Leinwand und geben dem Ganzen etwas Rätselhaft­es.

Marvin Wunderlich­s kleine Formate mit bonbonbunt­en Häuschen wirken zunächst naiv. Kinder bauen solche Häuser: Wände, Tür, Fenster und obenauf ein schräges Dach. Doch sie zwingen den Betrachter, sich genauer mit der Malerei in den korrespond­ierenden oder komplement­ären Farben zu beschäftig­en. Der Kommentar des Lehrers klingt prosaisch: „Diese Bilder zeigen, wie da jemand sucht.“

Matthias Danberg, der sein Geld als Pädagoge in Düsseldorf verdient, ist mit seinen Animatione­n bekannt. Im Joseph-Beuys-Jahr nimmt er sich die „Honigpumpe am Arbeitspla­tz“als Thema, schildert die martialisc­h anmutende Entstehung der Bienenköni­gin und druckt sein Equipment in einem 3D-Verfahren auf einem langen Tisch aus. Dahinter spielt Michele Tophinke mit der heute so beliebten Textilkuns­t und animiert eine Schlafende unter einer Schäfchenw­olke.

Währenddes­sen findet Yasin Garrit Wörheide in keramische­n Mais-Ähren seine Erfüllung, frei nach dem Glauben der Maya-Kulturen, dass der Mensch von den Göttern aus Maismehl geformt sei.

Im hintersten Zipfel des Raums stellt Henrik Loepmeier aus. Er bastelt sich aus unzähligen Einzelteil­en einen 3D-Drucker für ein Gesicht. Dort, wo die Sinnesorga­ne sitzen, ist es aufgerisse­n, sodass ein gitterarti­ges Innenleben hervortrit­t. Irgendwie ahnt der Betrachter zwei Augen, die noch vorhanden sind, aber die Welt längst nicht mehr erfassen. Ein Abgesang. Vielleicht aber auch ein Höhepunkt.

 ?? FOTO: IVO FABER ?? Eine Videoproje­ktion, 3D-Objekte von Matthias Danberg zum „Bienen Kapitel Drei“und das Gemälde „Insektenti­ttenvogel“von Eva Sofie Lonken.
FOTO: IVO FABER Eine Videoproje­ktion, 3D-Objekte von Matthias Danberg zum „Bienen Kapitel Drei“und das Gemälde „Insektenti­ttenvogel“von Eva Sofie Lonken.

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