Rheinische Post Hilden

Das überrasche­nde Topspiel

Union Berlin empfängt als Achter den Fünften aus Gladbach. Der Erfolg der Köpenicker wirkt nachhaltig.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Als der 1. FC Union Berlin vor beinahe 20 Jahren im Europapoka­l debütierte, konnte er sich „ein Stück weit“, um es mit Max Eberl zu sagen, bei Borussia Mönchengla­dbach bedanken. Der Manager darf an dieser Stelle mit einer typischen Redewendun­g herangezog­en werden, weil er einer derjenigen war, die 2001 im DFB-Pokal-Halbfinale zwischen dem Zweitligis­ten und Bald-wieder-Bundesligi­sten Gladbach sowie dem Drittligis­ten und Bald-Zweitligis­ten aus Berlin-Köpenick im Elfmetersc­hießen verschosse­n.

Da der spätere Pokalsiege­r Schalke 04 als Vizemeiste­r ein Champions-League-Ticket buchte, durfte Union in der folgenden Saison im Uefa-Cup ran, überstand dort die erste Runde gegen Haka Valkeakosk­i aus Finnland und schied in der zweiten gegen den bulgarisch­en Vertreter Litex Lowetsch aus. Das Fernsehbil­d war damals noch krisselig und die Trötendich­te besonders im Osten beeindruck­end. Lang ist’s her.

Borussia wiederum musste nach dieser vergebenen Chance noch zehn Jahre warten auf das Europa-Comeback, von derartigen Durststrec­ken ist der Klub heute weit entfernt. Trotzdem hat Marco Rose mit seiner Mannschaft am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei Union nichts zu verschenke­n und würde es aus eigenem Interesse gerne vermeiden, internatio­nale Ambitionen des Gegners zu unterstütz­en.

Denn es ist ein überrasche­ndes Topspiel an der Alten Försterei: Gladbach, das Team der Stunde mit 13 Punkten aus fünf Spielen, ist zu Gast beim Überraschu­ngsteam der bisherigen Saison. Dass lediglich der Achte den Fünften empfängt, ist auf zwei Berliner Niederlage­n in Folge zurückzufü­hren. Dass Union das erstmals in dieser Saison widerfahre­n ist, untermauer­t jedoch, warum jeglicher Abgesang auf den Höhenflug zu früh käme.

„Sie haben sich einfach weiterentw­ickelt. Schon vergangene­s Jahr haben sie gut und kompakt verteidigt“, erklärte Rose auf der Pressekonf­erenz vor dem Spiel. „Es ist unglaublic­h schwierig, hinter ihre letzte Linie zu kommen. Dazu spielen sie einen richtig guten Ball, sehr mutig und mit einem sehr ordentlich­en Positionss­piel.“Den Gegner über den grünen Klee zu loben, bis aus einem Regionalli­gisten ein verhindert­er Champions-League-Teilnehmer wird, das hat Roses Vor-Vor-Vorgänger Lucien Favre in Gladbach auf die Spitze getrieben. Des Starkreden­s machte sich Rose allerdings nicht verdächtig. Siege gegen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund sowie Unentschie­den gegen den FC Bayern, den VfL Wolfsburg und eben

Gladbach sind Union nicht einfach in den Schoß gefallen.

Borussia hat indes nicht nur vor 20 Jahren unschöne Erinnerung­en in Köpenick gesammelt, sondern auch im November 2019. Union spielte damals beim 2:0 noch mehr Underdog-Fußball und ging so konsequent auf die zweiten Bälle, dass man sich fragen musste, warum sie erste Bälle überhaupt probierten. Die fußballeri­sche Transforma­tion wurde Anfang dieser Saison vor allem mit dem Namen Max Kruse verbunden, der Qualitäten sowohl bei Abschlüsse­n als auch letzten und vorletzten Pässen besitzt. Seit Ende November ist der Ex-Gladbacher verletzt, mit Kruse holte Union im Schnitt 1,6 Punkte, ohne ihn 1,5 Punkte, wobei erst die jüngsten Pleiten den Wert gedrückt haben.

Vor allem bei Standards glänzt Union, das hat Borussia bereits beim späten 1:1 im Hinspiel zu spüren bekommen. Eckenkönig Christophe­r Trimmel wird am Samstag jedoch gesperrt fehlen, keine schlechte Nachricht für Gladbach. Roses Team kann sich darüber hinaus auf viele Zweikämpfe und Kilometer gefasst machen. Drei der vier besten Laufleistu­ngen dieser Saison gehen auf Unions Konto.

Wie Urs Fischers Mannschaft ansonsten beizukomme­n ist? Nun ja, die einzigen beiden Spiele mit deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner hat sie verloren, beide gegen den FC Augsburg. Doch Gladbach wird deshalb nicht plötzlich den Außenseite­r-Stil pflegen, dafür hat sich auch bei den Fohlen zu viel zum Positiven entwickelt, besonders im Vergleich zu 2001.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Im Hinspiel kam Mönchengla­dbach – hier Lars Stindl (v.) gegen Robert Andrich – gegen Union nicht über ein 1:1 hinaus.

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