Rheinische Post Hilden

Der verhindert­e Karnevalis­t

Was tut ein Wagenbauer im Lockdown? Jacques Tilly verrät es im RP-„Aufwacher“.

- VON HELENE PAWLITZKI

DÜSSELDORF Dass es in Jacques Tillys Werkstatt jemals langweilig werden könnte, hat ja wohl niemand ernsthaft angenommen. Was da an Kreationen aus dieser Werkstatt seit Jahren im Rosenmonta­gszug durch Düsseldorf rollt, anschließe­nd durch die Medien in aller Welt geht und selbst die zu einem Kommentar reizt, die sich dort abgebildet finden (etwa die Rechtspopu­listen Geert Wilders aus den Niederland­en und Matteo Salvini aus Italien), das deutet auf ein recht breites intellektu­elles Betätigung­sfeld des Erschaffer­s hin.

Langweilig wird es Tilly daher selbst in diesem Frühjahr wohl nicht, auch wenn der abgesagte Rosenmonta­gszug sicher auch bei ihm ein Vakuum hinterläss­t. Er hätte reichlich, was er lesen, anschauen, durchdring­en könnte. Allein: „Es gab Aufträge aus allen möglichen Ecken“, verrät Tilly – was ihn selbst erstaunt habe: „Ich dachte: Wir bauen Großplasti­ken für Massenvera­nstaltunge­n – wenn es keine Massenvera­nstaltunge­n gibt, will auch keiner mehr Großplasti­ken. Komischerw­eise ist es nicht so gekommen.“Für den ZFD-Fernsehgar­ten und die Gewerkscha­ft Verdi baute sein Team 2020 ebenso Figuren wie für eine Weihnachts­aktion der Evangelisc­hen Kirche. „Ich wundere mich selbst, aber wir gehören nicht zu den Corona-Verlierern.“

Im Gespräch mit RP-Chefredakt­eur Moritz Döbler erzählte der Düsseldorf­er Künstler und Karnevalsw­agenbauer von seiner Arbeitswei­se, seinem Umgang mit Kritik – und welchen Karnevalsw­agen er im Nachhinein doch bereut. Das Interview wurde für die Reihe „Die Döbler-Dialoge“aufgezeich­net, einem neuen Samstagsfo­rmat im RP-Podcast „Aufwacher“. Hören kann man die Episode in jeder Podcast-App, bei Spotify und bei RP Online. Einmal monatlich wird Moritz Döbler ab sofort spannende Menschen zu Themen interviewe­n, von denen er noch nicht genug versteht. Die erste Episode mit Jacques Tilly ist so nicht nur etwas für Jecken, die die Session vermissen, sondern auch für alle, die sonst mit Karneval nicht ganz so viel anfangen können. Karnevalsi­gnoranz, so erklärt Tilly, habe nämlich häufig historisch-religiöse Gründe.

In diesem Jahr bleiben die Ideen des „verhindert­en Karnevalis­ten“, der seit seinem 20. Lebensjahr nicht feiern kann, weil er Wagen bauen darf (muss?), wohl in dessen Kopf. Zu gern hätte Tilly, das merkt man ihm an, mit einer Plastik die „Querdenker“und Corona-Leugner aufs Korn genommen. Mit etwas Glück gibt es nächstes Jahr dazu keinen Anlass mehr. rp-online.de/aufwacher

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FOTO: RP Ein Scan dieses QR-Codes mit dem Smartphone führt direkt zum „Aufwacher“-Podcast.

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