Rheinische Post Hilden

„Jetzt möchte ich Bürgermeis­ter werden“

Der Schlagzeug­er der Toten Hosen hat nun einen deutschen Pass. Der Brexit war nicht der einzige Grund für den gebürtigen Briten.

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DÜSSELDORF Vom Ritchie ist jetzt Deutscher. Der Schlagzeug­er der Toten Hosen postete die Neuigkeit von der Einbürgeru­ng bei Instagram – stilecht mit einem Foto, das ihn mit Sepplhut und Lederhose zeigt. Stephen George Ritchie – so der bürgerlich­e Name des 56-Jährigen – kam vor 30 Jahren der Liebe wegen nach Deutschlan­d. Seit 1998 ist er Drummer der Toten Hosen. Wir erreichten ihn per Handy. Er holte sich gerade seinen neuen Reisepass im Einwohnerm­eldeamt hinter dem Düsseldorf­er Hauptbahnh­of ab. Er wirkte ziemlich gut aufgelegt.

Herzlichen Glückwunsc­h!

RITCHIE Ich bin sehr glücklich. Die Urkundenüb­ergabe war gestern, und jetzt bin ich halb-halb.

Doppelte Staatsbürg­erschaft also? RITCHIE Ja, und es war wirklich knapp, also zeitlich. Die Deadline war im Dezember. Und meine letzte Prüfung hatte ich auch im Dezember. In Schwäbisch-Hall.

Da bin ich noch nie gewesen. RITCHIE Du hast nicht viel verpasst. Aber es ist schon schön da. Ich habe den Hörtest zuerst nicht geschafft, den musste ich wiederhole­n. Dann das Schreiben und Sprechen.

Warum hattest Du Probleme beim Hörtest?

RITCHIE Weiß ich nicht, vielleicht, weil ich Schlagzeug­er und komplett taub bin. Aber beim zweiten Mal war mein Ergebnis sehr gut. Ehrlich gesagt war ich an dem Tag ziemlich nervös und habe mir zu viele Gedanken gemacht.

Warum wolltest Du überhaupt Deutscher werden?

RITCHIE Ich habe schon sehr lange darüber nachgedach­t. Aber ich habe es immer vor mir hergeschob­en: Ach, mache ich nächstes Jahr. Und dann kam der Brexit, und ich tat es endlich. Da saß ich dann in Schwäbisch-Hall. Alle anderen Orte waren ausgebucht, das war die nächste Stadt, in der ich meinen Test machen konnte.

Der Grund ist also der Brexit? RITCHIE Nicht wirklich. Oder: nicht nur. Ich liebe es einfach hier, und ich werde wohl nicht zurück nach England gehen. Jedenfalls nicht so bald. Ich wollte schon lange Deutscher werden, aber ich war zu faul. Der Druck erhöhte sich schließlic­h durch den Brexit. Wenn die Hosen zu Beispiel in Österreich spielen wollen oder in Luxemburg, Belgien oder Polen, könnte es komplizier­t werden, eine Tour zu planen. Mein deutscher Pass macht der Band das Leben leichter.

Jetzt kannst du offiziell ein Spießer werden.

RITCHIE Ich war schon immer einer. Aber ja, jetzt bin ich: Vommi, der deutsche Spießer.

Campino ist seit Kurzem Brite, du bist seit dieser Woche Deutscher.

Ihr habt sozusagen die Staatsbürg­erschaften getauscht. Hat er Dir Tipps gegeben?

RITCHIE Nein, eigentlich nicht. Ich habe ihn wegen des Lockdowns auch schon seit einer Weile nicht gesehen.

Was bedeutet das alles für England: win-win oder lose-lose?

RITCHIE England bekam Campino und den Brexit. Die sind doppelt gearscht.

Willst Du jetzt Bundeskanz­ler werden?

RITCHIE Dafür bin ich zu jung, glaube ich. Ich möchte erstmal Bürgermeis­ter von Düsseldorf werden. (lacht)

Im Ernst: Du kannst jetzt wählen, und…

RITCHIE Das ist gut! Darüber bin ich glücklich. Vorher durfte ich nicht, obwohl ich so gerne gewollt hätte. Die Engländer ließen mich auch nicht wählen, weil ich dort seit 16 Jahren keine Steuern mehr zahle. Ich war also Einwohner des Niemandsla­nds, ich konnte nirgendwo wählen.

Wen wirst du denn wählen? RITCHIE Jedenfalls nicht AfD.

Wie feierst Du das Ereignis?

RITCHIE Ich werde eine Flasche deutschen Weißwein öffnen.

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FOTO: JKP Vom Ritchie im Oktoberfes­t-Look und mit seiner Einbürgeru­ngsurkunde.

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