Rom sieht keine Pflichtverletzung Woelkis
Einen Missbrauchsverdacht zu melden, sei nicht zwingend gewesen, urteilt der Vatikan.
ROM/KÖLN Offenbar will der Vatikan keine kirchenrechtliche Untersuchung gegen den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, einleiten. Eine entsprechende Einschätzung habe, so berichtete die Katholische Nachrichten-Agentur, die Glaubenskongregation abgegeben. Woelki wird vorgeworfen, den Verdacht des Missbrauchsfalls eines Düsseldorfer Priesters 2015 nicht nach Rom gemeldet zu haben. Der Kardinal hatte dies damit begründet, dass der ehemalige Pfarrer wegen fortgeschrittener Demenz nicht vernehmungsfähig gewesen sei. Eine Meldung sei nicht zwingend gewesen, habe die Kurienbehörde befunden.
Die Einschätzung ist für den Münsteraner Theologen Thomas Schüller „kirchenrechtlich nicht vertretbar“. Er sagte unserer Redaktion, in den verschärften Normen 2010 von Papst Benedikt XVI. sei „unmissverständlich geregelt, dass jeder Fall von Verdacht auf sexuellen Missbrauch der Glaubenskongregation durch den zuständigen Diözesanbischof anzuzeigen ist“. Dabei gebe es keinen Ermessensspielraum. Schüller, der das Institut für Kanonisches Recht der Universität Münster leitet, erklärte: „Was Rom heute macht, ist nichts anderes, als dass man, um Kardinal Woelki zu retten, das von Papst Benedikt XVI. gesetzte Recht ignoriert und entgegen seinem Wortlaut auslegt. Man opfert die Amtsautorität
des ehemaligen deutschen Papstes, um einen Kölner Kardinal im Amt zu halten – ein bemerkenswerter Vorgang.“Schüller kritisierte, dass in der römisch-katholischen Kirche keine Rechtssicherheit bestehe. Nach seinen Worten sind darum „umso mehr unabhängige staatliche Untersuchungsinstanzen wichtig“.
Christian Weisner von der Bewegung „Wir sind Kirche“forderte, dass die „genaue Begründung des Vatikans möglichst umgehend veröffentlicht wird, um die Verwirrung nicht noch auszuweiten“. Der Vertrauensschaden, „den das bisherige unglückliche und widersprüchliche Herumlavieren von Kardinal Woelki innerhalb wie außerhalb der Kirche ausgelöst hat, ist immens“.