Ohne Feiern auch kein Fasten
Ein Jahr ohne Karneval wirft auch religiöse Fragen zur närrischen Zeit auf.
zum Lachen in den Keller gehen muss, hat es in diesen Tagen gut. Ihm bleibt erspart, was ihn in früheren Zeiten womöglich gequält hätte. Humbahumbatätära ist abgesagt. In allen Sälen ist Ruh. Damit entfällt, was die katholische Kirche einmal im Jahr erlaubt: das ausgelassene, oft lautstarke Jecksein.
Denn Fastelovend steht als freizügige Festzeit vor der verordneten Fastenzeit. Schnell noch „Polka, Polka, Polka“, bevor das Darben losgeht. Das hat den Theologieprofessor Manfred Becker-Huberti bewogen, die nicht ganz ernst gemeinte Forderung aufzustellen: Fastnacht darf feiern, wer anschließend auch fastet. Und gerade 2021 könnte es Schelme geben, die den Rückschluss ziehen: Ohne
Karneval auch keine Fastenzeit!
Wie auch immer. Über die evangelische Pfarrerstochter Angela Merkel hat der Protestantismus jetzt den Sieg über die Sinneslust davongetragen, wie ihn sich evangelische Pastoren im rheinischen Rheydt früher schon erhofft hatten: Spaß beiseite, Schluss mit lustig.
Karneval im Rheinland ist und bleibt eine Glaubensfrage. Weil die närrische Zeit auch immer Gelegenheit bot, gegen die preußisch-protestantische Obrigkeit zu opponieren, machten sich am Jecksein über lange Zeit auch die religiösen Unterschiede fest. Das ist längst nicht mehr so. Spass an der Freud haben mittlerweile viele – ganz unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion.
Zwar singt der Kölner Kabarettist
Jürgen Becker immer noch gerne „Wie gut, dass ich nicht evangelisch bin…“, stellt dabei aber auch augenzwinkernd fest, welche Macken Katholiken haben. Dazu gehört sicher die uneingeschränkte Erwartung, man dürfe an Altweiber alle (Frauen) umarmen und bützen. Meine persönliche Lieblichkeit aber mag das gar nicht.
Vor dem Bützen schützen? Das geht so: Als letztens zwei angeheiterte, junge Kameraden zielgerichtet auf sie zusteuerten, half nur die Warnung: „Pass op, die ist evangelisch.“
Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur unserer Redaktion. Er wechselt sich mit der Politikredakteurin Dorothee Krings wöchentlich ab.