„Aus meinem Traum ist ein Albtraum geworden“
Um seinem Sohn ein besseres Leben zu ermöglichen, hat sich Dominik Braun (31) als Tätowierer selbstständig gemacht. Jetzt ist seine Existenz bedroht.
Mein größter Traum war es immer, ein eigenes Tattoostudio zu eröffnen. Als ich erfahren habe, dass ich Papa werde, habe ich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Ich bin in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen und wollte alles dafür tun, dass mein Sohn es nicht so schwer haben wird wie ich. Und dann kam Corona. Aus meinem Traum ist mittlerweile ein Albtraum geworden.
Seit November kann ich meinen Beruf nicht mehr ausüben. Eigentlich sollten alle, die pandemiebedingt nicht arbeiten gehen dürfen, mit der Soforthilfe unterstützt werden. Aber die Realität sieht anders aus: Ich habe Ende Dezember eine Teilzahlung bekommen, die nicht mal meine Fixkosten gedeckt hat.
Anfang Januar habe ich dann einen Brief bekommen: Ich solle mit der Erstzahlung sparsam umgehen, hieß es darin, denn bis auf weiteres werde kein Geld ausgezahlt werden. Für einen kurzen Moment habe ich wirklich geglaubt, dass das ein Scherz ist. Das Wort „sofort“hat für mich eine ganz andere Bedeutung bekommen.
Mir ist bewusst, dass wir alle unsere Bedürfnisse zurückschrauben müssen, bis das Virus bekämpft ist. Aber es geht nicht mehr nur um Bedürfnisse, sondern um meine Existenz. Ständig trudeln neue Briefe, Mahnungen und Rechnungen ein, die ich im Moment nicht bezahlen kann.
Die Mutter meines Sohnes wartet vergeblich auf den Kindesunterhalt, den ich nicht zahlen kann, und mein Studiovermieter sieht die Situation auch nicht mehr so entspannt. Ich kann nur sagen: Es tut mir leid. Ich habe nichts.
Meine Lebensgefährtin ist Erzieherin und aktuell diejenige, die mit ihrem kleinen Gehalt versucht, dass wir nicht aus unserer Wohnung fliegen, und dass unsere Kinder genügend Essen auf dem Tisch haben. Sie tut das gerne, doch ihr Gehalt ist schon am Anfang des Monats aufgebraucht. Ich habe kein Geld, auf das ich zurückgreifen kann, alles ist in meinen Traum, das Tattoostudio, geflossen. Deswegen hat meine Partnerin ihr Erspartes aufgelöst, um mich über Wasser zu halten.
Mein Sohn wollte letztens mit dem Bus in den Kindergarten fahren und hat mich gefragt, ob ich ihm vorher noch ein Croissant kaufen kann. Als wir beim Bäcker waren, fiel mir auf, dass ich nicht genug Geld hatte. Weder für das Croissant, noch für die Busfahrt. Mir hat das
Herz geblutet, als ich ihm erklären musste, dass ich mir sein Frühstück nicht leisten kann und wir jetzt 40 Minuten zu Fuß im Regen zum Kindergarten gehen müssen.
Außerdem muss ich dringend zum Zahnarzt, mir steht eine wichtige Operation bevor, die um die 6000
Euro kostet. Doch dafür habe ich im Moment kein Geld. Als Selbstständiger bin ich privat versichert und kann weder in Vorkasse gehen noch die 1000 Euro Selbstbeteiligung zahlen.
Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ein positiver Mensch bin, der nicht so leicht aus dem Konzept zu bringen ist. Aber der Lockdown nagt an mir. Ich fühle mich machtlos, einsam, ungesehen, ungehört, wertlos, nutzlos. Seit Wochen leide ich unter Depressionen, die ich so noch nicht kannte.
Übertragen haben sich unsere finanziellen Probleme leider auch auf unsere Kinder. Unsere Tochter zeigt immer mehr Auffälligkeiten in Form von Trennungsängsten und psychisch bedingter Krankheitsvortäuschung, die einhergehen mit Arztbesuchen und schlaflosen Nächten. Immer wieder kommen dieselben Fragen: Haben wir noch genug Geld? Warum ist Papa immer so traurig?
Und das alles nur, weil sich mit den Soforthilfen Zeit gelassen wird. Alles, was wir tun können, ist warten. Warten auf Hilfe, auf Lösungen, auf unsere Zukunft.