Rheinische Post Hilden

Stunker auch ohne Publikum mit Biss

Die Sitzung an Weiberfast­nacht soll den TV-Zuschauern Mut in der Krise machen.

- VON HORST THOREN

KÖLN Ohne Corona können auch die Stunker nicht. Die Krise ist ihr Thema. Dennoch bietet die TV-Sitzung, was sich so mancher an Altweiber ersehnt: Ein bisschen Spaß darf sein – an der Freud und an den Gags einer wunderbare­n Truppe, die auch in der Pandemie ihren Humor nicht verloren hat. Wer schon mal live im Kölner E-Werk dabei war, kennt die tolle Stimmung und sehnt sich sicher nach Stampfen, Johlen, Lachen als Reaktion auf die oft zuspitzend­en und nicht selten zielgerich­tet politisch unkorrekte­n Darbietung­en. Aber mit Stadionatm­osphäre ist diesmal nichts. Biggi Wanninger führt ohne Publikum durchs Programm. Damit entfällt das gruppendyn­amische Element der Stunksitzu­ng. Reaktion wird bestenfall­s eingespiel­t. Und selbst beim urkomische­n Calli-Zitat biegt sich niemand vor Lachen.

So hat auch der TV-Zuschauer keine Möglichkei­t, sich am Publikum zu orientiere­n: Gut, besser, Wahnsinn? Das bleibt seine alleinige, einsame Entscheidu­ng. Ein lautstarke­s Buh-Konzert ist zumindest bei einer Nummer notwendig. Nicht, weil der Sketch so schlecht wäre, sondern weil die Vision so furchterre­gend ist. Kanzler „Heil Höcke“, nach dem Sturm auf den Reichstag an die Macht gekommen, hält mit seinem Horrorkabi­nett Sitzung im (brennenden) Reichstag. Reichskult­urminister ist der Wendler.

Wer danach durch den Wind ist, darf mit Köbes Undergroun­d aufatmen. Mit Abstand wird musiziert. Mit Blödsinn wird überzeugt. Mit „Et weed widder besser“wird am Ende gar die Pandemie verabschie­det. Und das ist die frohe Botschaft der Stunker: Den Kopf nicht hängen lassen! Nur eine macht sich nach Pflicht und Kür planmäßig davon. Angela Merkel zieht es, wie schon früher von den Stunkern thematisie­rt, auf eine Insel (Samoa, frei von Corona und allen Stänkern). Sie sagt endlich „du“zu ihrem Mann und wechselt von der einfarbige­n Kostümjack­e zur bunten Hawaiiblus­e.

Für schöne Erinnerung­en sorgen zwischendu­rch die Stunker mit Einspieler­n aus längst ausgestrah­lten TV-Sitzungen: Wieder einmal wird der FC gerettet, in der Oper erschallen Ballermann-Lieder, die Höhner haben nichts zu lachen und der Gardist liebt wie das Hündchen sein Frauchen. Lustig? Klar, einfach nur schön, weil geboten wird, was an Wieverfast­elovend Tradition ist: Frohsinn.

Die Stunker, selbst von der Krise stark getroffen, machen Mut, brauchen aber auch selbst Beistand. Wer will, kann dem Ensemble mit dem so genannten Solidaritä­tsticket (zu haben im Internet) unter die Arme greifen. Damit Biggi Wanninger 2022 wieder vor Publikum loslegen kann und alle am Schluss grammatika­lisch falsch, aber im Herzen richtig anstimmen „wegen dem Brauchtum“!

Kanzler „Heil Höcke“im Reichstag

TV-Tipp Die etwas andere Stunksitzu­ng, WDR-Fernsehen, Donnerstag, 22.15 Uhr

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