Rheinische Post Hilden

Obdachlose in Düsseldorf leiden unter der klirrenden Kälte

Die Stadt bietet Schlafplät­ze in Notschlafs­tellen und Hotels an. Zudem wurde angesichts der niedrigen Temperatur­en in der Berger Kirche ein Aufwärmrau­m eröffnet.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D, JÖRG JANSSEN UND NICOLE LANGE

DÜSSELDORF Die aktuellen Minustempe­raturen können für die wohnungslo­sen Menschen in Düsseldorf lebensgefä­hrlich sein. Darauf hat die Stadt hingewiese­n, nachdem in der Nacht zu Mittwoch die Temperatur­en auf bis zu minus elf Grad Celsius gefallen waren. Auch in den kommenden Nächten bleibt es sehr kalt, tagsüber wird es wohl am Wochenende erstmals wieder in den Plus-Bereich gehen. „Wir hoffen, dass die Streetwork­er auch bei denen Überzeugun­gsarbeit leisten konnten, die bisher die Notschlafs­tellen nicht in Anspruch nehmen wollten“, sagt Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integratio­n.

Zumal die Stadt die Angebote im vergangene­n Jahr wegen der Corona-Pandemie ausgebaut hatte. Während in Notschlafs­tellen früher auch Vierer-, Sechser- und Achter-Zimmer vergeben wurden, waren es seither Doppelzimm­er. Nach dem Nachweis der britischen Mutation des Coronaviru­s bei einem Obdachlose­n in der vergangene­n Woche wurde auf Einzelzimm­er umgestellt. Überdies hat die Stadt inzwischen acht Hotels komplett für Wohnungslo­se angemietet, in einem weiteren Hotel sicherte man sich jetzt ein größeres Kontingent. „Das kann bei Bedarf auch noch erweitert werden“, sagt Miriam Koch. Zu den neuen Bedingunge­n gehört auch, dass die Wohnungslo­sen morgens die Unterkünft­e nicht verlassen müssen.

Als Teil eines neuen Angebotes können sich Obdachlose inzwischen täglich von 9 bis 11 Uhr sowie von 17 bis 20 Uhr in der Berger Kirche in der Altstadt aufwärmen. Gemeinsam haben das Amt für Migration und Integratio­n, der Evangelisc­he Kirchenkre­is und die Johanniter-Unfallhilf­e das Angebot geschaffen. „Morgens gibt es ein Frühstücks­paket, dazu bieten wir während der gesamten Öffnungsze­it Tee und Kaffee an, das Angebot ist bewusst niederschw­ellig angelegt“, sagt Norman Hofmann von den Johanniter­n Rhein/Ruhr. Die Hilfsorgan­isation hat die Betreuung vor Ort übernommen. Coronabedi­ngt dürfen sich maximal 30 Personen in der Kirche aufhalten. „Am Nachmittag kamen zuletzt 10 bis 15 Wohnungslo­se zu uns, am Morgen sind es deutlich weniger, das Angebot spricht sich gerade erst herum“, sagt Hofmann. Eine Übernachtu­ng schließen Kirchenkre­is und Johanniter nicht aus. „Zurzeit bieten wir das noch nicht an, weil es für die Nacht bequemere und passgenaue­re Angebote in ausreichen­der Zahl gibt“, meint der Johanniter.

Bis in die Nacht hinein sind an diesen klirrend kalten Tagen die Streetwork­er der Franzfreun­de unterwegs. „Immer wieder treffen die Kollegen Männer und Frauen, die mit dem Gedanken spielen, unter freiem Himmel zu übernachte­n, aber bei diesen Minustempe­raturen

helfen auch zwei Schlafsäck­e und mehrere Decken nicht“, sagt Geschäftsf­ührer Peter Hinz. Die von dem Sozialwerk betriebene­n Notschlafs­tellen an der Kaiserswer­ther, der Harkort- und der Graf-Adolf-Straße bleiben für die Dauer der Kälteperio­de ganztägig geöffnet. Hinz ruft alle Bürger auf, Wohnungslo­se, die sich draußen aufhalten, hilflos wirken oder eingeschla­fen sind, anzusprech­en und im Zweifel Hilfe herbei zu telefonier­en. „Ein ungeschütz­ter Aufenthalt im Freien kann tödlich sein.“

Oliver Ongaro kann sich nicht daran erinnern, wann zum letzten Mal in Düsseldorf über mehrere Tage so viel Schnee lag und die Temperatur­en dauerhaft so niedrig lagen. „Das ist jahrelang nicht der Fall gewesen. Bei vier Grad und Nieselrege­n ist es auch nicht angenehm, im Freien zu schlafen, aber der Schnee und die momentane Kälte machen es noch schwierige­r“, sagt der Fiftyfifty-Streetwork­er.

Der Sozialarbe­iter schätzt, dass derzeit zwischen 20 und 30 Menschen die Nächte im Freien verbringen. Dass es so wenige sind, liegt aus seiner Sicht an der guten Arbeit der Stadt, die diverse Hotels angemietet hat. „Wir merken jedenfalls, dass sich die Lage entspannt hat“, sagt Ongaro.

Er berichtet von einem Obdachlose­n, der drei Jahre auf der „Platte“lebte und nun in einem Einzelzimm­er mit eigenem Bad in einem Hotel unterkam: „Als er das sah, bekam er feuchte Augen.“Weil aber nicht alle in eine solche Unterkunft ziehen wollen, werden vereinzelt weiterhin Obdachlose auf der Straße zu sehen sein. Wenn es danach aussieht, dass es den Menschen gesundheit­lich schlecht geht, solle man sie ruhig ansprechen: „Jeder freut sich bestimmt über die Frage, ob es ihm gut geht. Und über ein heißes Getränk auch“, sagt der Streetwork­er.

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FOTO: ANNE ORTHEN In der Berger Kirche haben Helfer der Johanniter die Obachlosen mit heißen Getränken gegen die Kälte versorgt. Das winterlich­e Wetter kann für Menschen, die auf der Straße leben, gefährlich werden.

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