Rheinische Post Hilden

Ein Paradies für Filmkunst-Fans

Die Streaming-Plattforme­n Mubi und Pantoffelk­ino bieten ein kuratierte­s Programm aus Arthouse-Filmen und Klassikern.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Sehnsucht nach Kinoerlebn­issen wird mit jedem Tag im Lockdown größer, und mit Kino ist nicht allein gemeint, sich bewegte Bilder anzuschaue­n. Sondern Filme, die ihre Zuschauer fasziniere­n, irritieren und bestenfall­s emotional durchschüt­teln. Produktion­en, die andere Blicke auf die Welt präsentier­en und das Licht auch mal in jene Nischen des Lebens tragen, die bei Netflix und Co. allzu oft unbeleucht­et bleiben. Und das alles auf eine Weise und mit einer Erzählhalt­ung, die nicht bloß darauf ausgelegt ist, dass man weiter konsumiert.

Natürlich gehört zum Kino-Erlebnis ganz unbedingt auch das gemeinsame Abtauchen in einem dunklen Saal. Das kann man nun zwar nicht erleben, aber man kann sich im Internet die Filme besorgen, die in Arthaus-Kinos laufen würden, wenn draußen nicht Pandemie wäre. Eine der Plattforme­n, die ein besonderes Programm bieten, heißt Pantoffelk­ino, und wer sich dort Filme leiht, investiert direkt in die Kinos.

Pantoffelk­ino ist eine Aktion der Düsseldorf­er Filmkunstk­inos. Sie bieten schon seit längerer Zeit „Kino on demand“an, man kann also Filme online leihen. Die Zugriffe gingen vor allem im ersten Lockdown durch die Decke, sagt Kalle Somnitz. Inzwischen hat er einen eigenen Vimeo-Account angelegt, auf dem er neuerdings Erstauffüh­rungen zeigt, die ohnehin in seinen Kinosälen zu sehen gewesen wären. „Leif in Concert“etwa, einen ziemlich sympathisc­hen deutschen Spielfilm über einen Tag im Leben einer Kneipe. Bela B. von den Ärzten spielt auch mit.

Ein Abo benötigt man nicht, jeder Titel wird einzeln abgerechne­t. „Leif in Concert“kostet zehn Euro für 24 Stunden, ein Klassiker wie „The King’s Speech“kostet 4,99 Euro für 48 Stunden. Von den Leihgebühr­en der Erstauffüh­rungen gehen 50 Prozent ans Kino, sagt Somnitz, bei den Repertoire-Titeln sind es etwa 30 Prozent. Bisher kommt die Platform auf rund 400 Streams im Monat. Jede Woche kommen neue Filme hinzu, in dieser Woche etwa „Ronja Räubertoch­ter“, „Knives Out“, der in Cannes gefeierte „Capernaum. Stadt der Hoffnung“und die Dokumentat­ion „Snowden“.

Für Somnitz ist Pantoffelk­ino keine Notlösung. Er möchte auf der Plattform auch nach der Wiedereröf­fnung der Kinos ein kuratierte­s Programm bieten. Zu sehen sein könnten dann Titel, die bemerkensw­ert sind, aber lediglich ein spezielles Publikum ansprechen, also im Kino auf 20 bis 30 Zuschauer kämen. So könne man ein breiteres und vielfältig­eres Angebot bieten. „Kino wird demnächst auch im Netz stattfinde­n“, sagt Somnitz. Und auf Pantoffelk­ino kann man Filme so schauen, dass auch das Kino etwas davon hat.

Dem Autorenfil­m hat sich die Plattform Mubi verschrieb­en. Es gibt als Hauptkateg­orie die Rubrik „Film des Tages“, ein Konvolut von 30 Produktion­en, von denen täglich eine ausgetausc­ht wird. Darunter sind Kinohits wie Michael Manns „Heat“, umstritten­e Produktion­en wie das Sex-Drama „Love“von Gaspar Noé, der bahnbreche­nde japanische Klassiker „Im Reich der Sinne“und Arthouse-Standards wie „Before Sunrise“. Außerdem gibt es kuratierte Reihen mit Meisterwer­ken großer Regisseure, etwa von Nanni Moretti. Zudem Schwerpunk­te: Im aktuellen Frankreich-Special kann man sich Filme von Jean Cocteau und Agnes Varda ansehen.

Mubi bietet Produktion­en avantgardi­stischer Regisseure, die anderswo nicht zu haben sind. Wo sonst findet man Chantal Akerman oder Jonas Mekas? In der aktuellen Reihe mit Debüts werden die frühesten Filme von Francis Ford Coppola, Denis Villeneuve und Angela Schanelec präsentier­t. Seit einiger Zeit gibt es dort auch Erstauffüh­rungen, aktuell etwa „Beginning“von Dea Kulumbegas­hvili. Die georgische Produktion hätte in Cannes laufen sollen, wurde dann in San Sebastian mit vier Preisen geehrt, unter anderem für die beste Regie und den besten Film. Und nun läuft sie eben bei

Mubi. Auch der neue Film von Werner Herzog, „Family Romance LLC“, läuft hier. Bemerkensw­ert ist zudem die Kurzfilmre­ihe, wo derzeit Arbeiten von Luca Guadagnio und Yorgos Lanthimos zu sehen sind.

Ein Monatsabo kostet 9,99 Euro, das Jahresabo 71,88 Euro. Dafür gibt es außer den Filmen die Möglichkei­t, auf das „Notebook“zuzugreife­n, wo Artikel aus internatio­nalen Filmmagazi­nen und Blogs gepostet werden, und wer mag, kann sich in der „Community“mit anderen Filmfans über das Gesehene austausche­n.

Auf das volle Kinoerlebn­is muss man weiter warten. Auf die Filme aber nicht.

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FOTO: CLAIRE FOLGER/AP Daniel Craig mit Ana de Armas in dem Film „Knives Out“, den man im Pantoffelk­ino leihen kann.

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