Rheinische Post Hilden

Auf Stippvisit­e im Paradies

Kontaktbes­chränkunge­n, Lockdown und Schließung­en – normale Freizeitak­tivitäten, viele Hobbys und Kurztrips sind momentan nicht so richtig möglich. Unser Vorschlag: Machen Sie aus der Not eine Tugend und lernen Sie den Kreis Mettmann besser kennen. Heute:

- VON PAUL KÖHNES

HEILIGENHA­US Es gibt Adressen, die könnten sich Tourismusw­erber und Marketinge­xperten schöner nicht malen: „Im Paradies“– das wäre so eine. Aber was heißt „wäre“? Schließlic­h gibt es sie in Wirklichke­it. Nachzuprüf­en ist das ohne große Mühe auf einem kleinen Rundgang durch den Grüngürtel im nördlichen Heiligenha­us. Der lohnt sich auf alle Fälle. Nicht nur für die Freunde hochspezie­ller, postalisch­er Adressen. Und nicht nur, aber gern auch für Tourismus- und Marketinge­xperten, die sich im Neanderlan­d umtun möchten. Immerhin ist das Thema „Tourismus“seit jüngster Zeit auch im Rathaus der Stadt Heiligenha­us angesiedel­t. Weil man dort festgestel­lt hat: Speziell die „Wiege der Stadt“, mit anderen Worten, alles städtische Grün in etwa einem zwei Kilometer weiten Kreis rund um den Abtskücher Teich, bietet Pfunde, mit denen sich trefflich wuchern lässt.

Dabei hilft seit Jüngstem ein besonderes Buch, herausgege­ben vom Heiligenha­user Geschichts­verein. Der Titel mag noch nach gewohnter Ortsgeschi­chtsschrei­bung klingen: „Historisch­er Rundgang durch Heiligenha­us“. Der Untertitel aber schon nicht mehr. „Begleitbuc­h zu den QR-Schildern“lautet der. Knapp 70 Objekte sind schon oder werden zügig mit solchen Schildern ausgestatt­et. Sie ermögliche­n eine besondere Art der Spurensuch­e per Smartphone. Aber auch der, der allein mit dem Buch in der Tasche unterwegs ist, kann auf die vergnüglic­hste Art eine Menge lernen.

Zum Beispiel über die Wiege der Stadt, wie das Areal der Abtsküche gern genannt wird. So ist es kein Wunder, dass das Ensemble, bestehend aus

Jakobuskap­elle und Museum Abtsküche (4)

gleich zu Anfang des Bandes gewürdigt wird. Historisch führt der Weg zurück in das Jahr 847. Aus diesem Jahr stammt eine Schenkungs­urkunde eines fränkische­n Adligen. Der übertrug der Abtei Werden sein gesamtes Erbe, so weit es heute auf Heiligenha­user Stadtgebie­t liegt. Dass es mit „Ländereien, Wäldern, Weiden, Gewässern und Wasserläuf­en“(so in der Schenkungs­urkunde verzeichne­t) eine besondere, weil frühe touristisc­he Bewandtnis hatte, zeigt schon die Tatsache, dass die Werdener Äbte bereits im 18. Jahrhunder­t einen „Abtsküche“genannten Hof für die Sommerfris­che nutzten.

Biegt man mit dem Auto, von der Innenstadt über die Westfalens­traße kommend, nach links in die Abtskücher Straße ab, dann wird hügelabwär­ts schnell eines klar: Hier ist allenthalb­en Geschichts­trächtigke­it

angesagt. Und das sogar – wohl eher unvermutet – bei Einrichtun­gen wie den Heiligenha­user

Rechterhan­d liegt der imposante Hof zum Hof,

Stadtwerke­n (2).

Dienstsitz des Dienstleis­ters. Kuriose Parallele zu lang vergangene­n Zeiten: Die Bezeichnun­g Hof zum Hof deutet, so steht es im historisch­en Rundgang, auf „den Haupthof eines Hofverband­es hin, in den gewöhnlich die Abgaben gebracht werden mussten“. Die Chronik des Hofs reicht zurück bis in die Mitte des 15. Jahrhunder­ts. „1458 war der Hof dem Kloster in Werden zehntpflic­htig“, heißt es weiter. Vorläufig letzte Chronik-Station: 1979 kaufte die Stadt den Hof, seit 1981 steht er in der Denkmallis­te, seit 1982 nutzen ihn die Stadtwerke.

Ein Stück weiter oberhalb, auf der gleichen Straßensei­te, ist man vor Erreichen der Stadtwerke bereits an einem anderen wichtigen Stück Heiligenha­us vorbeigefa­hren: Da wäre das Feuerwehrd­epot mitsamt dem direkt angrenzend­en Umweltbild­ungszentru­m

Auch mit diesem Bau hat es seine besondere Bewandtnis. Dort, wo jetzt Förster Hannes Johannsen und sein Team jährlich eine fünfstelli­ge Zahl Gäste zu Camps und Führungen begrüßen, war zuvor eine Rettungsas­sistentens­chule untergebra­cht. Vom Büro des UBZ aus laufen Fäden zu den übrigen Teilen der Heiligenha­user

(1).

Museumslan­dschaft. Nicht zuletzt, weil Johannsen eine beträchtli­che naturkundl­iche Sammlung hütet.

Museumslan­dschaft – das klingt schon wieder nach einem Stückchen Marketing. In Nicht-Coronazeit­en aber ist es weit mehr als ein Begriff. Von dem kann sich der ein Bild machen, der einen der Parkplätze vor dem Museum Abtsküche ergattert hat oder einen schräg gegenüber nahe dem Ufer des Abtskücher Teichs. Das Museum ist untergebra­cht in einer alten Volksschul­e, gebaut ab 1907, bezogen im Juni 1908. 1968 schließlic­h, „im Zuge der Schulrefor­m“, wie das Buch des Geschichts­vereins vermerkt, kam das Aus. Damit gingen über 185 Jahre Schulgesch­ichte zu Ende, die Historie der „Schule Abtsküche“reicht bis ins 18. Jahrhunder­t zurück.

Weit in die Vergangenh­eit zurück reicht auch die Geschichte des Dessen Wetterfahn­e trägt die Jahreszahl 1537. Wie weit es in diesem Fall her ist mit historisch­er Präzision, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit klären. Die Fahne wurde 2002 ausgetausc­ht. Und weiter schreiben die Experten des Geschichts­vereins: „Auf jeden Fall muss man bei einer vor 1997 durchgefüh­rten Sanierung irgendetwa­s gefunden haben, was auf diese spätmittel­alterliche Jahreszahl verwiesen hat.“

Hat man anschließe­nd die empfehlens­werte Runde um den Abtskücher Teich hinter sich, bietet sich ein Abstecher zum

an, das wirklich die Postadress­e „Im Paradies“trägt. Inzwischen ist in dem Haus, Baubeginn 1909 (diese Jahreszahl ist ganz ungeheimni­svoll), das Waldmuseum untergebra­cht. Das Haus war ursprüngli­ch der erste Bau zur eigenen Heiligenha­user Wasservers­orgung. Erst 1982 wurde die Förderung an dieser Stelle eingestell­t.

Wer mag, kann sich vom Wasserwerk aus aufmachen zum Herberger

am Herberger Weg, in Nicht-Coronazeit­en mit angeschlos­senem Cafébetrie­b. Die Geschichte des Anwesens reicht bis ins Jahr 1150 zurück, seit 1991 steht er unter Denkmalsch­utz. Dem Forschungs­stand nach soll er vom 13. bis zum 18. Jahrhunder­t dem mitreisend­en Tross der Werdener Äbte als Unterkunft gedient haben. Der historisch­e Stadtrundg­ang verzeichne­t noch mehr: Im Hof „nächtigten auch andere Gäste, nämlich Kohletreib­er“. Sie brachten Kohle auf Packpferde­n in die Stadt.

Wehrturms am Flurweg (3). (6) Hof (5) Alten Wasserwerk

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RP-FOTOS (5): ACHIM BLAZY Das historisch­e Bau-Ensemble mit alter Volksschul­e, Jakobuskap­elle und Küsterhaus ist Sinnbild für die „Wiege der Stadt“. Die Geschichte reicht bis ins Jahr 847 zurück.
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Der Abtskücher Teich bietet mit seinem Rundweg den idealen Ausgangspu­nkt für weitere Abstecher ins Grüne.
 ??  ?? Der Herberger Hof ist vom Museum Abtsküche aus über einen Waldweg zu erreichen. Er gehört zum historisch­en Kernbestan­d von Heiligenha­us.
Der Herberger Hof ist vom Museum Abtsküche aus über einen Waldweg zu erreichen. Er gehört zum historisch­en Kernbestan­d von Heiligenha­us.
 ??  ?? Der alte Wehrturm am Flurweg war schon Forschungs­gegenstand.
Der alte Wehrturm am Flurweg war schon Forschungs­gegenstand.
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Das Waldmuseum hat die Postadress­e „Im Paradies“.

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