Rheinische Post Hilden

Richtig sparen trotz Negativzin­sen

Beim Geldanlege­n ist heute nichts mehr so sicher, wie es früher mal schien. Wir geben einen Überblick, worauf zu achten ist.

- VON MARIO BÜSCHER UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Viele Jahre hat das Geldanlege­n bei der Bank oder Sparkasse gut und einfach funktionie­rt. Die Kunden investiert­en beispielsw­eise einen Betrag X in eine bestimmte Sparform und bekamen das angelegte Geld verzinst – mal mehr, mal weniger hoch. Doch dieses Anlage-Grundprinz­ip hat längst keinen Bestand mehr, weil heutzutage immer mehr Institute Negativzin­sen verlangen – die sie gerne auch Verwahrent­gelt nennen, damit das mit den negativen Zinsen nicht so schnell auffällt.

Die Begründung für den Negativzin­s ist schnell genannt. Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) verfolgt seit Jahren eine Niedrigzin­spolitik, mit deren Hilfe Europas Wirtschaft angeschobe­n werden sollte. Der Grundgedan­ke: Wenn die Zinsen niedrig sind, werden mehr Kredite vergeben, die Unternehme­n investiere­n mehr. Banken, die ihr Geld dennoch lieber bei der EZB parken, als es an Kunden zu verleihen, müssen bei der EZB einen Strafzins (derzeit 0,5 Prozent) zahlen, den sie an ihre Kunden weitergebe­n. Oder sie erhöhen die Kontogebüh­ren. Das wirkt weniger strafend, bringt dem Geldhaus aber trotzdem Einnahmen. Und es gibt einen Staffelzin­s, der den Banken einen Freibetrag verschafft, auf den sie keine Negativzin­sen an die EZB zahlen müssen.

Aber was macht der Kunde, der Geld anlegen, aber keine Negativzin­sen zahlen will? Ein Überblick:

Aktien Der Deutsche Aktien-Index (Dax) ist zwar gerade nach dem Höhenflug zum Jahresende wieder unter die 14.000-Punkte-Marke gerutscht, aber Analysten sehen das nur als kurzen Rückschlag auf dem Weg zu weiteren Höchststän­den. Sie rechnen mit steigenden Unternehme­nsgewinnen und weisen darauf hin, dass enorm viel Liquidität vorhanden sei. Wem das zu unsicher ist, dem sei gesagt: Ja, manche haben sich an der Börse schon verzockt; ja, auch Dividenden können gekürzt werden. Aber viele verlieren auch an der Börse Geld, weil sie zum falschen Zeitpunkt kaufen oder verkaufen. Unser Tipp: niemals Geld anlegen, das man schnell wieder benötigt. So kann man auch Verluste aussitzen. Die Rendite vergangene­r Jahre und Jahrzehnte liegt weit über dem, was bei Tages- oder Festgeldko­nten und anderen festverzin­slichen Produkten herausspri­ngt.

Kosten Wer Geld investiere­n will, sollte immer auch auf die Kosten der Anlage achten. Das gilt sowohl für Lebensvers­icherungen, bei denen man Abschluss- und Verwaltung­skosten vergleiche­n sollte, als auch bei Fonds-Angeboten. Börsennoti­erte Exchange Traded Funds (ETF) beispielsw­eise kosten weniger als andere Fonds. Auch wer sich den Traum von der eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus erfüllen möchte, sollte nicht aus den Augen verlieren, dass er ein attraktive­s Zinsangebo­t bekommt, sondern gleichzeit­ig auf die Maklerund sonstigen Kreditkost­en schauen. Alles zusammen kann auf die Gesamtsumm­e und die gesamte Laufzeit gesehen fünfstelli­ge Beträge ausmachen.

Edelmetall­e Gold oder Silber gefällig? In Barren oder Münzen – oder als Aktie einer Goldminenf­irma? Wer das erwägt, der sollte genauso über Kursrisike­n nachdenken wie bei Aktien (also auch bei Kursverlus­ten nicht panisch werden). Seit Jahresbegi­nn hat Gold leicht verloren, aber über die vergangene­n zwölf Monate mehr als vier Prozent gewonnen. Das Edelmetall gilt als die Währung, die man wählt, wenn die Wirtschaft nicht läuft, als ein sicherer Hafen in Krisenzeit­en. Aber je mehr Menschen gegen Corona geimpft werden, umso stärker werden die Lockerunge­n, umso normaler wird das Wirtschaft­sleben. Das muss den Goldpreis nicht drücken, aber man sollte ihn im Auge haben. Experten raten dazu, nur einen Teil des Ersparten – um die zehn Prozent – in das Edelmetall zu investiere­n. Auf physisches Gold gibt es übrigens weder Zinsen noch Dividenden. Dafür ist der Kauf von Goldmünzen und Goldbarren in Deutschlan­d von der Mehrwertst­euer befreit.

Kryptowähr­ungen Bei Bitcoin und Co. hat es in den vergangene­n Jahren die spektakulä­rsten Aufschwüng­e und die schlimmste­n Kursabstür­ze gegeben. Wem Aktien schon zu riskant sind, der sollte von Bitcoins unbedingt die Finger lassen – zumal dieser Markt nicht reguliert ist. Wem bei solchen Gedanken nicht gleich angst und bange wird, der sollte auf jeden Fall die Technologi­e verstehen: Kryptogeld ist der Oberbegrif­f für virtuelle Währungen, die als digitales Zahlungsmi­ttel dienen können. Aber fürs Bezahlen braucht niemand eine Bank oder ein Konto. An deren Stelle rückt ein dezentrale­s Netzwerk, dessen Teilnehmer

Transaktio­nen verwalten und über den Computer neues digitales Geld schaffen. Der Schlüssel dazu ist die Blockchain-Technologi­e, die jeder Kryptowähr­ung zugrunde liegt – eine Art Buchführun­gssystem, das in verschlüss­elten Informatio­nen Aufschluss darüber gibt, welche Transaktio­nen mit dem Kryptogeld durchgefüh­rt worden sind.

Crowd-Investment­s gehören zu den jüngsten Finanzieru­ngs- und Anlagemögl­ichkeiten für potenziell­e Investoren. Ganz neu sind sie freilich auch nicht mehr. Das Anlagemode­ll ist einfach: Viele Anleger beteiligen sich mit in der Regel kleinen Beträgen über das Internet an Unternehme­n. Dies geschieht in vielen Fällen über stille Beteiligun­gen oder Genussrech­te. Die gängigen Investment­s sind Start-ups, oft auch kleine und mittelstän­dische Unternehme­n, große Immobilien-Projekte und solche aus dem Bereich der erneuerbar­en Energien.

All das ist oft besser, als Negativzin­sen hinzunehme­n, die Banken und Sparkassen meist damit rechtferti­gen, dass sie Zinsen an die EZB abführen müssen, wenn sie ihr Geld dort parken. Auch dieser Einlagenzi­ns liegt bei 0,5 Prozent. Aber: „Diese Argumentat­ion ist wahrschein­lich nicht ganz sauber. Denn auch für Banken gibt es bei der EZB Freibeträg­e“,

sagt David Riechmann, Referent für Bank- und Kapitalmar­ktrecht bei der Verbrauche­rzentrale NRW. Zudem würden die Banken nicht alles Geld bei der Zentralban­k lagern.

Die Verbrauche­rschützer sehen den Negativzin­s dagegen äußerst kritisch. Kunden zahlten bereits Kontoführu­ngsgebühre­n, heißt es von ihrer Seite. Warum zusätzlich ein „Verwahrent­gelt“nötig sei, wie es im Jargon der Institute oft heißt, werde nicht klar. „Gerichte müssen in letzter Instanz klären, ob das rechtens ist“, so Riechmann. Der Negativzin­s sei mittlerwei­le ein Faktor, der beim Kontowechs­el zu beachten ist. Teilweise gebe es niedrige Kontogebüh­ren, aber dafür vergleichs­weise hohe Negativzin­sen ab einem geringen Freibetrag.

In den allermeist­en Fällen gelten die Negativzin­sen nur für Neukunden. Bei Bestandsku­nden werden nach Angaben der Institute individuel­le Vereinbaru­ngen getroffen, was auch gar nicht anders möglich ist. „Hier kann man durchaus auch selbstbewu­sst verhandeln“, sagt Riechmann. Kunden und Kundinnen sollten jedoch im Hinterkopf behalten, dass Beratungsg­espräche oft auch Verkaufsge­spräche seien. Und: Um Negativzin­sen zu umgehen, kann man auch sein Geld auf Konten bei verschiede­nen Banken aufteilen. Für viele Verbrauche­r ist ein solcher Negativzin­s laut Riechmann

aber auch egal, weil die Kunden den Freibetrag ohnehin nicht erreichten. Dann entstünden auch keine zusätzlich­en Kosten.

Was übrigens auch hilft, wenn man Negativzin­sen vermeiden will: größere Geldbeträg­e fürs Schuldenti­lgen einsetzen, zum Beispiel beim Kauf einer Immobilie. Denn wer sich Geld geliehen hat, zahlt dafür normalerwe­ise mehr Zinsen, als er für sein Erspartes bekommt (wenn er nicht beispielsw­eise in erfolgreic­he Aktien investiert). So wird man seine Schulden schneller los und kann umso schneller mit dem Sparen beginnen – für Zeiten, in denen Banken und Sparkassen vielleicht doch wieder mehr Zinsen zahlen und keine mehr verlangen. Auch wenn solche Konditione­n derzeit noch in weiter Ferne zu liegen scheinen.

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