Hochwasser hilft nicht gegen Trockenheit
Viele Regionen wurden von Wassermassen heimgesucht. Den Böden fehlt es jedoch an Feuchtigkeit. Experten warnen vor den Folgen.
BERLIN Die Bilder gehen so schnell nicht aus dem Kopf: Regenfälle und Schmelzwasser hatten den Rhein Anfang des Monats so stark anschwellen lassen, dass das Flussbett die Wassermassen nicht mehr halten konnte. Das Hochwasser traf viele Städte in Nordrhein-Westfalen – und auch andere Teile Deutschlands hatten und haben weiterhin mit den Fluten zu kämpfen. Nun, da die schlimmsten Höchststände überwunden sind, stellt sich die Frage, ob zumindest die chronisch trockenen Böden von dem vielen Wasser profitiert haben.
Leider Fehlanzeige! Noch immer fehlt es den Böden vielerorts an Feuchtigkeit. Betrachtet man den Dürremonitor des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) sind große Teile Nordrhein-Westfalens noch orange bis rot markiert, was übersetzt schwere bis extreme Dürre bedeutet. Im Osten des Bundeslandes wird es sogar dunkelrot. Heißt: außergewöhnliche Dürre. Im Rest der Republik sieht es nicht viel besser aus. Wie aber passt das zu den starken Niederschlägen in diesem Winter?
Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen, ist eine Unterscheidung zwischen dem Gesamtboden und dem Oberboden notwendig. Beim Gesamtboden gibt das UFZ die Bodenfeuchte bis zu einer Tiefe von etwa 1,80 Metern an. Beim Oberboden wird – wie der Name schon sagt – nur in der Oberfläche bis zu einer Tiefe von etwa 25 Zentimetern gemessen. Auf der Karte, die diese Bodenschicht betrachtet, sind immer noch weite Flächen besonders in Mitteldeutschland und im Süden Bayerns gelb bis orange eingefärbt – das bedeutet ungewöhnlich trockene bis moderate Dürre.
Stärkere Dürre-Erscheinungen treten immer erst in tieferen Lagen auf. „Der Gesamtbodenzustand kann ohne Weiteres sehr trocken sein, obwohl die Oberfläche matschig ist und Pfützen an der Oberfläche stehen“, sagt Andreas Marx, der am UFZ den Dürremonitor leitet. Ein Effekt mit Folgen: Besonders bei trockenen Bodenschichten bewege sich Wasser nur langsam nach unten. Somit füllt sich der Gesamtboden dem Experten zufolge nur langsam wieder auf.
Die Einschätzung des Klimaforschers deckt sich mit den Erfahrungen aus NRW. Trotz der starken Regenfälle habe sich die Dürre-Situation in den zurückliegenden Wochen lediglich im Oberboden etwas entspannt, sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) unserer Redaktion. „Aber unterhalb von 1,5 Metern ist es nach wie vor zu trocken. Wir hatten unterdurchschnittliche Regenfälle in den vergangenen Jahren.“Die Trockenperioden wirkten noch bis heute nach. „Bis sich das wieder eingependelt hat, kann es noch dauern. Das Gleiche gilt auch für die Grundwasserstände“, so die Ministerin.
Das Problem ist auch auf Bundesebene bekannt. „Außergewöhnliche Dürre, auch in Verbindung mit Starkregenereignissen, stellt auch viele landwirtschaftliche Betriebe vor große Probleme durch Mindererträge bis hin zu örtlich vollkommenem Ausfall von Ackerkulturen sowie im Grünland“, teilte das Bundesumweltministerium auf Anfrage mit. Es komme vermehrt zu Stickstoff- und Phosphor-Überschüssen, in den Wäldern setzten Trockenstress und übermäßiger Schädlingsbefall besonders den Nadelbäumen zu. Zugleich verursache das „Zu viel“an Wasser Probleme.
Können die großen Wassermengen, die sich in diesem Winter durch starke Niederschläge angesammelt haben, nicht langsam einsickern und somit zu mehr Feuchte in der Tiefe der Böden führen? Die Forscher sind da nicht sehr optimistisch. zu starken Temperaturanstiegen kommt, kann es auch weitere Hochwasser auslösen.“
Im Umweltministerium plädiert man dafür, den Rückhalt von Wasser in der Fläche auszubauen. „Generell ist es sinnvoll, in möglichst vielen Bereichen wie beispielsweise der Land- und Forstwirtschaft und der Stadtentwicklung natürlichen Wasserrückhalt zu bewahren und zusätzlich zu schaffen, um Austrocknung möglichst gering zu halten“, so der Ministeriumssprecher.
In diesem Winter steht – so geht aus den Daten hervor – für Pflanzen zumindest ausreichend Wasser zur Verfügung. An der langfristigen Perspektive für den Wasserhaushalt der Flächen ändert das jedoch nichts: „Der Boden ist zwar absolut ziemlich nass, aber langjährig gesehen zu trocken, also im Dürrezustand“, sagt UFZ-Forscher Marx.