Einreisestopps werden nach wenigen Stunden aufgeweicht
BERLIN Um den weitere Einschleppung besonders ansteckender Virusvarianten aus Tschechien und Tirol zu verhindern, sind in der Nacht zum Sonntag verschärfte Einreisebeschränkungen an den Grenzen zur Bundesrepublik in Kraft getreten. Sowohl in Tschechien als auch im österreichischen Bundesland Tirol sind die Mutationen deutlich stärker verbreitet als bislang in Deutschland. Aus den betroffenen Gebieten dürfen daher nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis nach Deutschland einreisen.
Allerdings wurde bereits wenige Stunden nach Inkrafttreten der Einreiseregelungen eine Ausnahme geschaffen. So dürfen Berufspendler
mit wichtigen Aufgaben in systemrelevanten Branchen nun doch nach Deutschland einreisen, teilte das Bundesinnenministerium mit. Es werde nicht außer Acht gelassen, „dass unsere Grenzregionen inzwischen vielfältig miteinander verwoben sind“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU): „Wir gehen pragmatisch vor, wo immer das möglich ist.“Die jetzt gefundene Lösung könne ein Beispiel dafür sein, wie beim grenzüberschreitenden Verkehr in der Pandemiebekämpfung künftig vorgegangen werde, so Seehofer. Eine weitere Ausnahme gilt für Beschäftigte, die „zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Betrieben unverzichtbar“sind, wie das Innenministerium mitteilte.
Zuvor war es in dieser Frage zu einer Auseinandersetzung zwischen Seehofer und der EU-Kommission gekommen. Nach der Ankündigung der Verschärfung der Kontrollen hatte die EU-Kommission Deutschland dazu aufgefordert, eben solche Ausnahmen etwa für Berufspendler zu gewähren. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides kritisierte das deutsche Vorgehen. „Die Furcht vor den Mutationen des Coronavirus ist verständlich. Aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlossenen Grenzen aufhalten lässt“, sagte Kyriakides der „Augsburger Allgemeinen“.
Seehofer hatte die Einwände der EU tags zuvor bereits harsch kritisiert. „Jetzt reicht’s!“, sagte der CSU-Politiker nach Lockerungsforderungen aus Brüssel der „Bild“-Zeitung. Die EU habe bei der Impfstoffbeschaffung „genug Fehler gemacht“. SPD-Fraktionsvize Achim Post, zuständig für Europa, kritisierte: „Pauschales Europa-Bashing hilft nicht nur nicht weiter, sondern ist auch der falsche Ton in der jetzigen akuten Krisenlage.“
Die Kontrollen liefen in der Nacht zum Sonntag zunächst ruhig an. Die verschärften Maßnahmen lösten weder Stau noch lange Wartezeiten aus. „An einem Wochentag, wenn Pendler versuchen einzureisen, wird die Lage sicher anders aussehen“, gab ein Sprecher der Grenzpolizei Passau am Sonntagmorgen zu bedenken. In den ersten zwölf Stunden seien mehr als 500 Menschen an den Grenzen zurückgeschickt worden, bilanzierte der Präsident der Bundespolizeidirektion München, Karl-Heinz Blümel.