Großbritannien gegen das Grauhörnchen
Es ist flauschig, vermehrt sich aber schnell: Die britische Regierung plant, den amerikanischen Eindringling auszurotten.
LONDON Prinz Charles mag sie nicht, Starköche schlagen vor, wie sie am besten zubereitet werden können, und jetzt kommen sie auch noch der britischen Regierung in die Quere, die sich ambitionierte Klimaschutzziele auf die Fahnen geschrieben hat: Die Grauhörnchen in Großbritannien sehen sich, gelinde gesagt, einer breiten Front der Ablehnung gegenüber. Jetzt werden Pläne geschmiedet, wie der gesamte britische Bestand an „Sciurus carolinensis“ausgerottet werden könnte.
Briten lieben das rote Eichhörnchen „Sciurus vulgaris“, putzig wie es ist. Gerade deswegen ist das Grauhörnchen, sein entfernter Verwandter aus Nordamerika, so verhasst, weil es das rote Eichhörnchen verdrängt hat. Eingeführt von englischen Aristokraten im 19. Jahrhundert, konnte sich das Grauhörnchen unaufhaltsam verbreiten. Es hat mittlerweile fast ganz England und Wales kolonisiert und vertreibt überall, wo es seine Pfoten hinsetzt, die einheimischen Hörnchen. In ganz England soll es gerade noch 15.000 rote Eichhörnchen geben gegenüber rund 2,8 Millionen grauen. Mehr einheimische Hörnchen gibt es noch in Teilen Schottlands, wohin sich die grauen noch nicht vorgearbeitet haben.
Zugeben, es sieht nett aus, das Grauhörnchen. Aber hinter der possierlichen Fassade steckt ein Eroberer, der auch vor dem Einsatz einer biologischen Massenvernichtungswaffe nicht zurückschreckt, um seine Konkurrenten zu bekämpfen. Denn die Dominanz des Eindringlings rührt nicht nur daher, dass der amerikanische Vetter kräftiger gebaut ist und im Nahrungskampf dem einheimischen Nager das Futter stiehlt. Eine weit infamere Waffe setzt das Grauhönchen ein: Es ist Träger des Parapox-Virus, das ihm selbst nicht schadet, aber für die roten Eichhörnchen tödlich ist.
Darüber hinaus ist das graue ein übler Umweltvandale. Die „Initiative für die europäischen Eichhörnchen“(ESI), eine britische Pressure-Group,
die sich die Vernichtung des Grauhörnchens zum Ziel gesetzt hat, listet seine Verbrechen auf: Es verursache irreparablen Schaden an Laub- und Nadelbäumen, stehle Eier aus Vogelnestern, halte sich an Jungvögeln schadlos, verwüste Obstgärten, zernage elektrische Kabel und – Achtung, Europa! – drohe bald auch in die „großen Wälder von Norditalien, Frankreich und der
Schweiz“einzufallen.
Der Forstschaden, den sie anrichten, soll ihnen nun zum Verhängnis werden. Grauhörnchen nagen an Bäumen und entrinden sie, was zum Absterben oder zumindest zu reduziertem Wuchs führt. Jedes Jahr, erklärte der zuständige Umweltminister Lord Goldsmith im Oberhaus, würden durch sie Millionen Bäume beschädigt, der volkswirtschaftliche
Schaden betrage 1,8 Milliarden Pfund (2,1 Milliarden Euro). Sie seien eine Gefahr für das Programm der Regierung, zur Bekämpfung des Klimawandels die Zahl der neugepflanzten Bäume im Königreich zu verdoppeln. Daher, so Goldsmith, gebe es jetzt Pläne zur Ausrottung.
Das Roslin Institute in Edinburgh, das berühmt wurde, als es 1996 Dolly, das Schaf, klonte, arbeitet an verschiedenen Lösungen. Eine wäre, den Grauhörnchen Verhütungsmittel unter das Futter zu mischen. Eine andere Lösung wäre radikaler. Sie wird als „X-Schreddern“bezeichnet und sieht vor, Tausenden von männlichen Grauhörnchen eine Injektion zu verabreichen, die zur Zerstörung des X-Chromosoms bei der Spermaproduktion führt. Dadurch tragen ihre Spermien nur noch das Y-Chromosom. „Über mehrere Generationen“, sagt Professor Bruce Whitelaw vom Roslin Institute, „gäbe es mehr und mehr männlichen Nachwuchs, bis die Population kollabiert.“