Experten fordern harten Sparkurs
Während Schwarz-Grün die Notwendigkeit neuer Schulden betont, mahnen externe Fachleute zu Disziplin bei den Stadtfinanzen.
DÜSSELDORF Die Stadt muss sich auf finanziell schwere Zeiten einstellen. Zwei Experten für kommunale Finanzen sehen es im Gespräch mit unserer Redaktion als notwendig an, dass Düsseldorf auf einen Sparkurs einschwenkt. René Geißler, Professor für öffentliche Verwaltung an der Technischen Hochschule Wildau, sagt der Kommune eine „Herkules-Aufgabe“voraus, um Ausgaben und Einnahmen wieder in Einklang zu bringen. Verwaltung und Politik müssten sich die Frage stellen: „Was können wir uns noch leisten?“
Markus Berkenkopf vom Bund der Steuerzahler formuliert es ähnlich: „Alles muss auf den Prüfstand.“Die Politik müsse entscheiden, wo der Rotstift angesetzt wird. Geißler sieht zudem die Kämmerin in der Pflicht, im nächsten halben Jahr für die Aufstellung des neuen Haushalts Spar-Vorschläge zu machen.
Der Stadtrat hatte nach den finanziellen Einbrüchen im Zuge der Corona-Krise beschlossen, dass zum ersten Mal wieder Investitionen durch Kredite finanziert werden. Die Uhr, die die Zeit der Schuldenfreiheit anzeigte, ist bereits abgehängt worden. Schwarz-Grün argumentiert, dass man sich nicht aus der Krise heraussparen könne und Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung notwendig seien.
Doch damit ist es aus Sicht der Finanz-Experten nicht getan. „Für die Politik beginnt eine harte Zeit“, sagt René Geißler. Viele Ausgaben werde man nun hinterfragen müssen, die man sich zuvor habe leisten können, etwa beim Stadtumbau. Und tatsächlich taucht beispielsweise die zuvor längst angedachte Verlängerung
der Rheinuferpromenade nicht mehr in den Plänen von SchwarzGrün auf.
Die Entscheidung, Investitionen mit Krediten zu finanzieren, sei aber durchaus nachzuvollziehen. „Entschuldung spart heute kein Geld mehr. Es gibt daher auch keine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit für Schuldenfreiheit.“Infolge der Zinsentwicklung sei diese Strategie schon einige Jahre diskutabel gewesen, aber offenbar habe es keinen Bedarf an Krediten gegeben – dank guter Steuereinnahmen vor allem. Die aber fallen nun weg. Und es ist offen, ob die Ausfälle bei der
Gewerbesteuer in diesem Jahr noch mal von Stadt und Land ausgeglichen werden.
Zudem stehen von Corona gebeutelte Unternehmen mit städtischer Beteiligung wie Messe oder Flughafen vorerst nicht mit Ausschüttungen bereit, während die Rheinbahn wohl eher mehr Zuschüsse brauchen wird. Geißler sieht gleichzeitig steigende Ausgaben voraus, wie für den Ausbau von Kita-Plätzen oder Hilfen für die Pflege.
Auch ein politisches Argument spreche für Schulden, da die städtische Infrastruktur an den Klimawandel angepasst werden müsse.
Allerdings mahnt Geißler zur Vorsicht: „Das Thema öffnet die Tür für politische Träume aller Art.“
Auch Berkenkopf mahnt, bei den Investitionen genau hinzuschauen. „So viel wie nötig und so wenig wie möglich.“Das politische Wunschkonzert sei vorbei. So müsse bedacht werden, welche Abschreibungen und Folgekosten Investitionen verursachten. Er sei zudem überrascht, an wie vielen Stellen im Kooperationsvertrag von SchwarzGrün Wünsche nach mehr Personal durchschienen. Die Entscheidung für Schulden sieht er kritischer als Geißler. „Die Kredite müssen auch getilgt werden, das kann man nicht den folgenden Generationen überlassen.“
Mit der viel beschworenen Schuldenfreiheit war es in Düsseldorf schon vor der Corona-Krise nicht mehr weit her. In einer Übersicht des statistischen Landesamts wird die Gesamtverschuldung zum 31. Dezember 2019 mit 868 Millionen Euro angegeben. Das beinhaltet den sogenannten Kanal-Deal des Ampel-Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP, bei dem das Kanalnetz an einen Eigenbetrieb verkauft worden war, der den Kauf durch Kredite finanziert. Das wird hier als Neuverschuldung
gewertet, die aus dem Kernhaushalt ausgegliedert ist.
Demnach stand Düsseldorf mit 1400 Euro pro Einwohner in den Miesen – schon vor der Pandemie. Nun schnellen die Schulden nach oben. Im vergangenen Jahr sind bereits 240 Millionen Euro an Kassenkredit dazugekommen, nun folgen die Investitionskredite. Alle Prognosen gehen davon aus, dass es selbst bei einer rapiden Erholung der Wirtschaft zwei Jahre dauern wird, bis die höheren Steuereinnahmen vor allem durch die Gewerbesteuer bei der Stadt angekommen.
Das Ratsbündnis aus CDU und Grünen will sich in der Finanzpolitik angesichts dieser Erwartungen nicht festlegen lassen. Niemand wisse, wie sich die Krise weiter entwickeln wird, sagt Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski. „Es wäre nicht seriös, wenn wir jetzt sagen, bei einer Milliarde Schulden ist Schluss.“Entscheidend sei aber, jetzt genau zu überlegen, wofür die Stadt das Geld ausgibt. Es müsse sich um „Investitionen in die Zukunft“handeln, die den späteren Generationen nutzen – etwa in Bildung oder Klimaschutz.
Rolf Tups (CDU) sagt, man habe keineswegs „Tür und Tor“für eine Verschuldung geöffnet, sondern wolle genau kontrollieren, ob eine Wertschöpfung für die Stadt entsteht. Man dürfe aber bei Themen wie Digitalisierung jetzt nicht den Anschluss verpassen und müsse investieren. Tups verweist darauf, dass Bund und Land derzeit ähnlich argumentieren. „Man kann nicht ganz Düsseldorf in den Lockdown führen, sondern muss in der Lage bleiben, die Zukunft der Stadt zu sichern“, sagt Tups.