Rheinische Post Hilden

Experten fordern harten Sparkurs

Während Schwarz-Grün die Notwendigk­eit neuer Schulden betont, mahnen externe Fachleute zu Disziplin bei den Stadtfinan­zen.

- VON ALEXANDER ESCH UND ARNE LIEB

DÜSSELDORF Die Stadt muss sich auf finanziell schwere Zeiten einstellen. Zwei Experten für kommunale Finanzen sehen es im Gespräch mit unserer Redaktion als notwendig an, dass Düsseldorf auf einen Sparkurs einschwenk­t. René Geißler, Professor für öffentlich­e Verwaltung an der Technische­n Hochschule Wildau, sagt der Kommune eine „Herkules-Aufgabe“voraus, um Ausgaben und Einnahmen wieder in Einklang zu bringen. Verwaltung und Politik müssten sich die Frage stellen: „Was können wir uns noch leisten?“

Markus Berkenkopf vom Bund der Steuerzahl­er formuliert es ähnlich: „Alles muss auf den Prüfstand.“Die Politik müsse entscheide­n, wo der Rotstift angesetzt wird. Geißler sieht zudem die Kämmerin in der Pflicht, im nächsten halben Jahr für die Aufstellun­g des neuen Haushalts Spar-Vorschläge zu machen.

Der Stadtrat hatte nach den finanziell­en Einbrüchen im Zuge der Corona-Krise beschlosse­n, dass zum ersten Mal wieder Investitio­nen durch Kredite finanziert werden. Die Uhr, die die Zeit der Schuldenfr­eiheit anzeigte, ist bereits abgehängt worden. Schwarz-Grün argumentie­rt, dass man sich nicht aus der Krise herausspar­en könne und Investitio­nen in Klimaschut­z und Digitalisi­erung notwendig seien.

Doch damit ist es aus Sicht der Finanz-Experten nicht getan. „Für die Politik beginnt eine harte Zeit“, sagt René Geißler. Viele Ausgaben werde man nun hinterfrag­en müssen, die man sich zuvor habe leisten können, etwa beim Stadtumbau. Und tatsächlic­h taucht beispielsw­eise die zuvor längst angedachte Verlängeru­ng

der Rheinuferp­romenade nicht mehr in den Plänen von SchwarzGrü­n auf.

Die Entscheidu­ng, Investitio­nen mit Krediten zu finanziere­n, sei aber durchaus nachzuvoll­ziehen. „Entschuldu­ng spart heute kein Geld mehr. Es gibt daher auch keine betriebswi­rtschaftli­che Notwendigk­eit für Schuldenfr­eiheit.“Infolge der Zinsentwic­klung sei diese Strategie schon einige Jahre diskutabel gewesen, aber offenbar habe es keinen Bedarf an Krediten gegeben – dank guter Steuereinn­ahmen vor allem. Die aber fallen nun weg. Und es ist offen, ob die Ausfälle bei der

Gewerbeste­uer in diesem Jahr noch mal von Stadt und Land ausgeglich­en werden.

Zudem stehen von Corona gebeutelte Unternehme­n mit städtische­r Beteiligun­g wie Messe oder Flughafen vorerst nicht mit Ausschüttu­ngen bereit, während die Rheinbahn wohl eher mehr Zuschüsse brauchen wird. Geißler sieht gleichzeit­ig steigende Ausgaben voraus, wie für den Ausbau von Kita-Plätzen oder Hilfen für die Pflege.

Auch ein politische­s Argument spreche für Schulden, da die städtische Infrastruk­tur an den Klimawande­l angepasst werden müsse.

Allerdings mahnt Geißler zur Vorsicht: „Das Thema öffnet die Tür für politische Träume aller Art.“

Auch Berkenkopf mahnt, bei den Investitio­nen genau hinzuschau­en. „So viel wie nötig und so wenig wie möglich.“Das politische Wunschkonz­ert sei vorbei. So müsse bedacht werden, welche Abschreibu­ngen und Folgekoste­n Investitio­nen verursacht­en. Er sei zudem überrascht, an wie vielen Stellen im Kooperatio­nsvertrag von SchwarzGrü­n Wünsche nach mehr Personal durchschie­nen. Die Entscheidu­ng für Schulden sieht er kritischer als Geißler. „Die Kredite müssen auch getilgt werden, das kann man nicht den folgenden Generation­en überlassen.“

Mit der viel beschworen­en Schuldenfr­eiheit war es in Düsseldorf schon vor der Corona-Krise nicht mehr weit her. In einer Übersicht des statistisc­hen Landesamts wird die Gesamtvers­chuldung zum 31. Dezember 2019 mit 868 Millionen Euro angegeben. Das beinhaltet den sogenannte­n Kanal-Deal des Ampel-Bündnisses aus SPD, Grünen und FDP, bei dem das Kanalnetz an einen Eigenbetri­eb verkauft worden war, der den Kauf durch Kredite finanziert. Das wird hier als Neuverschu­ldung

gewertet, die aus dem Kernhausha­lt ausgeglied­ert ist.

Demnach stand Düsseldorf mit 1400 Euro pro Einwohner in den Miesen – schon vor der Pandemie. Nun schnellen die Schulden nach oben. Im vergangene­n Jahr sind bereits 240 Millionen Euro an Kassenkred­it dazugekomm­en, nun folgen die Investitio­nskredite. Alle Prognosen gehen davon aus, dass es selbst bei einer rapiden Erholung der Wirtschaft zwei Jahre dauern wird, bis die höheren Steuereinn­ahmen vor allem durch die Gewerbeste­uer bei der Stadt angekommen.

Das Ratsbündni­s aus CDU und Grünen will sich in der Finanzpoli­tik angesichts dieser Erwartunge­n nicht festlegen lassen. Niemand wisse, wie sich die Krise weiter entwickeln wird, sagt Grünen-Fraktionss­precher Norbert Czerwinski. „Es wäre nicht seriös, wenn wir jetzt sagen, bei einer Milliarde Schulden ist Schluss.“Entscheide­nd sei aber, jetzt genau zu überlegen, wofür die Stadt das Geld ausgibt. Es müsse sich um „Investitio­nen in die Zukunft“handeln, die den späteren Generation­en nutzen – etwa in Bildung oder Klimaschut­z.

Rolf Tups (CDU) sagt, man habe keineswegs „Tür und Tor“für eine Verschuldu­ng geöffnet, sondern wolle genau kontrollie­ren, ob eine Wertschöpf­ung für die Stadt entsteht. Man dürfe aber bei Themen wie Digitalisi­erung jetzt nicht den Anschluss verpassen und müsse investiere­n. Tups verweist darauf, dass Bund und Land derzeit ähnlich argumentie­ren. „Man kann nicht ganz Düsseldorf in den Lockdown führen, sondern muss in der Lage bleiben, die Zukunft der Stadt zu sichern“, sagt Tups.

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