Wie kraftvolles Regieren wirkt
Eine entscheidungsstarke Führung stärkt das Vertrauen in die Demokratie.
Das erste Jahr mit dem Coronavirus führte zu einer paradoxen Situation. Ausgerechnet in den Monaten, in denen demokratische Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wurden und in denen das Parlament nur wenig zu melden hatte, stieg Umfragen zufolge die Zustimmung zur Demokratie und die Zufriedenheit mit der Politik. Zumindest in den ersten Pandemiemonaten honorierten die Bürger das Krisenmanagement der Kanzlerin. Und damit wuchs das Vertrauen in die Gestaltungskraft der Politik.
Die Lehre daraus? Wer die Demokratie stärken will, muss sich mit gutem Regieren beschäftigen, mit Behörden und anderen staatlichen Institutionen, die ein Bürger im Alltag erlebt. Das klingt banal, widerspricht aber vielen gängigen Strategien. Oft ist eher von möglichst viel Bürgerbeteiligung die Rede, wenn Politiker sich um mehr Akzeptanz des politischen Systems bemühen. Selbst Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble begeistert sich neuerdings für Bürgerräte, deren Mitglieder ausgelost und nicht gewählt werden, und die sich etwa mit Fragen der internationalen Sicherheitspolitik beschäftigen. Es scheint, als hänge die Qualität der Demokratie ab von der Zahl der Menschen, die aktiv mitreden und mitentscheiden. Dabei gäbe es nicht erst seit dem Brexit viele Gründe, beim Einsatz von Plebisziten vorsichtig zu sein. Direkte Demokratie – das klingt gut, kann aber auch schiefgehen. Etwa bei der Wahl der SPD-Parteivorsitzenden, bei der mit großem Aufwand die Basis
bereist, befragt und beteiligt wurde – und am Ende nur die Hälfte der Parteimitglieder eine Stimme abgab. Nicht jeder, der sich für Politik interessiert, will deswegen auch bei allem entscheiden. Die Lehre der ersten Monate, wie kraftvolles Regieren auf die Bürger wirkt, sollten alle Parteien im Wahlkampf berücksichtigen. Wer hat die besten Ideen für den Öffentlichen Dienst? Wie kann die Digitalisierung der Verwaltungen verbessern? Gute Antworten sorgen nicht nur für Wählerstimmen, sondern sind eine Investition in die Demokratie.
Die Autorin ist Geschäftsführerin der Hertie-Stiftung in Berlin. Sie wechselt sich mit unserer Berliner Bürochefin Kerstin Münstermann und ihrem Stellvertreter Jan Drebes ab.