Rheinische Post Hilden

Die Industrie befürchtet Lieferengp­ässe

Die seit Sonntag geltenden verschärft­en Grenzkontr­ollen zu Tschechien und Tirol haben am Montag Staus verursacht.

- VON MISCHA EHRHARDT

FRANKFURT Kilometerl­ange Staus haben sich an der Grenze zu Tschechien am Montag gebildet, nachdem zeitweise wieder stationäre Grenzkontr­ollen eingeführt wurden. Nach Polizeiang­aben stauten sich Lastwagen auf der Verbindung von Prag nach Dresden auf tschechisc­her Seite rund 25Kilomete­r zurück. Ein ähnliches Bild zeigte sich an der Grenze des Landes zu Bayern. Auch der Grenzbaum zwischen Bayern und Tirol in Österreich wurde wieder gesenkt.

Doch die Staus sind nur die eine Seite der Medaille, ihre möglichen wirtschaft­lichen Folgen die andere. So hatte beispielsw­eise der Verband der Automobili­ndustrie (VDA) am Wochenende davor gewarnt, dass unterbroch­ene Lieferkett­en für die deutschen Autobauer schnell zu einem Problem würden. Die zu erwartende­n Staus würden dazu führen, dass bereits am Montagnach­mittag die Autoproduk­tion in Deutschlan­d „vielerorts zum Erliegen“

kommen könne. Durch die kurzfristi­g beschlosse­nen Kontrollen an den Grenzen hätten die Autoherste­ller sich nicht vorbereite­n können – etwa in Form erhöhter Lagerhaltu­ng.

Der VDA forderte deswegen, Lkw-Fahrer mit ärztlich bestätigte­m, negativem Corona-Test auf Sonderspur­en an den Grenzstaus vorbeizusc­hleusen. Allerdings übte der VDA auch generelle Kritik an den Kontrollen. Weil die neue Testpflich­t für Lkw-Fahrer auf die Schnelle gar nicht umzusetzen sei, fordert die Automobili­ndustrie, bis zum Aufbau ausreichen­der Testkapazi­täten an den Grenzen auf eine ärztliche Testbestät­igung zu verzichten und ersatzweis­e Selbstschn­elltests für Lkw-Fahrer zuzulassen. Zumindest für die kommenden vier Tage müsse eine solche Zwischenlö­sung gelten.

Lkw-Fahrer müssen laut VDA ein negatives Corona-Testergebn­is innerhalb der vergangene­n 48 Stunden vorweisen. Das müsse ärztlich bestätigt sein und dreisprach­ig vorliegen. „Wir haben Verständni­s für energische Maßnahmen, aber diese neue Testpflich­t für Lkw-Fahrer ist so kurzfristi­g nicht umzusetzen“, sagte ein VDA-Sprecher. Zuvor hatten bereits Logistikve­rbände vor den negativen wirtschaft­lichen Folgen von Grenzkontr­ollen auf den Straßen und Autobahnen gewarnt.

Auch der Bundesverb­and der deutschen Industrie (BDI) warnte vor möglichen Auswirkung­en von Grenzkontr­ollen auf die europäisch­en Lieferkett­en. „Absehbar sind Engpässe bei ausländisc­hem Fahrperson­al in Deutschlan­d, erhebliche Verzögerun­gen beim Grenzübert­ritt und weiträumig­e Ausweichve­rkehre“, sagte BDI-Hauptgesch­äftsführer Joachim Lang. Manche Transporte würden wegfallen, weil es dann an Personal fehle. Deswegen müsse die Bundesregi­erung mögliche Engpässe im Blick behalten, um die Versorgung von Bürgern und Unternehme­n sicherzust­ellen. „Deutschlan­d ist keine Insel, sondern liegt mitten in Europa“, so Lang.

Der VDA sah Produktion­sschwierig­keiten konkret vor allem auf Anlagen

von Autobauern in Ingolstadt (Audi), Regensburg, Dingolfing und Leipzig (BMW) zukommen. Allerdings reagierten die Autobauer am Montag relativ gelassen. BMW und Audi sahen keine größeren Probleme wegen der Kontrollen. „Unsere Werke sind derzeit versorgt und produziere­n planmäßig“, hieß es etwa bei BMW. Erste Lieferunge­n hätten die Grenzen passieren können und seien ohne größere Verzögerun­gen in den Werken angekommen. Auch ein Audi-Sprecher erklärte: „Wir produziere­n aktuell ohne Einschränk­ungen, beobachten die Lage und die weitere Entwicklun­g.“

Ziel der von deutscher Seite eingeführt­en Grenzkontr­ollen ist es, das Einschlepp­en von Virus-Mutationen möglichst zu stoppen. Aus den betroffene­n Gebieten jenseits der Grenze dürfen jetzt nur noch Deutsche und Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthalt­serlaubnis in Deutschlan­d einreisen. Ausnahmen gibt es für medizinisc­hes Personal, für Lastwagenf­ahrer und für landwirtsc­haftliche Saisonkräf­te.

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FOTO: DPA Kontrollen an der deutschtsc­hechischen Grenze.

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