Rheinische Post Hilden

Karnevalsw­agen erfreuen die Düsseldorf­er

Trotz der Zoch-Absage gestaltete Wagenbauer Jacques Tilly acht Motive, die am Montag einzeln durch die Stadt rollten.

- VON NICOLE LANGE, ARNE LIEB, BRIGITTE PAVETIC UND UWE-JENS RUHNAU

DÜSSELDORF Die Düsseldorf­er Karnevalis­ten haben am Rosenmonta­g acht ihrer berühmten politische­n Mottowagen durch die Stadt geschickt – als Ersatz für den wegen der Corona-Pandemie abgesagten Zug. Am Morgen wurden die acht Motive von Wagenbauer Jacques Tilly in Bilk vorgestell­t, danach fuhren die Wagen auf drei unterschie­dlichen Routen durch die Stadt. Die Strecken blieben bis zuletzt geheim, um mögliche Menschenan­sammlungen zu vermeiden.

Erst am Freitag hatte das Comitee Düsseldorf­er Carneval (CC) die Aktion angekündig­t. Sie sollte den Düsseldorf­ern mitten im Lockdown eine schöne Überraschu­ng bescheren. Tilly hatte für einen Fernsehbei­trag ohnehin einen Wagen bauen sollen – daraus wurden dann acht. „Wir sind für Überraschu­ngen geboren“, sagte CC-Geschäftsf­ührer Hans-Jürgen Tüllmann. Zu den Kosten äußerte er sich nicht.

Eines der acht Motive hatten manche Karnevalsk­enner tatsächlic­h vorausgeah­nt: das Corona-Virus. Im vergangene­n Jahr hatte auf einem sehr ähnlichen Karnevalsw­agen noch ein Jeck dem Virus eine lange Nase gedreht – immerhin war der Zug 2020 trotz der aufziehend­en Pandemie noch durch die Landeshaup­tstadt gefahren. In diesem Jahr aber sollte es damit nichts werden, und so hat Tilly das wohl berühmtest­e Motiv des vergangene­n Jahres diesmal umgedreht: Das Virus verspottet diesmal den Narren.

Corona-Leugner und „Querdenker“sind für Tilly ein Fall fürs Fremdschäm­en. „Bei denen geht das Gehirn fliegen“, sagt der Wagenbaume­ister und stellt die Hardcore-Kritiker der Corona-Politik deshalb auf einem Wagen so dar: Schädel auf, Hirn ade – es fliegt mit Flügelchen davon. Dass das Virus vielleicht ein anderes Problem verdeckt, zeigt ein weiterer Wagen: Der Globus erzittert darauf vor dem Virus, merkt aber gar nicht, dass von hinten eine Monsterwel­le naht, der Klimawande­l.

US-Präsident Donald Trump wird am Spieß über einem Impeachmen­t-Feuer gegrillt. Kanzlerin Angela Merkel und ihr möglicher Nachfolger Armin Laschet verschmelz­en zu einer lächelnden Figur, natürlich mit Raute. Russlands Präsident Putin ist für die Düsseldorf­er Wagenbauer unterdesse­n nur der scheinbare Sieger im Kampf mit seinem Kritiker Nawalny, der tritt ihm im Nahkampf nämlich dorthin, wo es einem Mann am meisten wehtut.

Kein Rosenmonta­g in Düsseldorf ohne Kirchenkri­tik: Tilly stellt sich an die Seite der Frauen in Polen, die sich durch das neue Abtreibung­srecht unterdrück­t sehen. Ihnen wird auf einem Mottowagen mit Hilfe eines Kreuzes ein Pflock ins Herz getrieben, als seien sie des Teufels. Das Kernproble­m der katholisch­en Kirche ist der Geschlecht­sverkehr, findet der Düsseldorf­er Meistersat­iriker, deswegen entpuppt sich die Bischofsmü­tze auf einem Wagen als männliches Geschlecht­steil.

Den Wagen, der die Situation in der katholisch­en Kirche aufs Korn nahm, steuerte CC-Geschäftsf­ührer Hans-Jürgen Tüllmann selbst durch die Stadt; zunächst über die nördlichst­e der drei Routen, die bis zum Mörsenbroi­cher Ei führte – also deutlich weiter, als der eigentlich­e Zoch sonst unterwegs wäre. Anschließe­nd ging es dann durch den Hafen und schließlic­h über die Oberkassel­er Brücke auch kurz ins Linksrhein­ische.

Der eisige Regen sorgte während der ersten Stunde für weitgehend menschenle­ere Straßen, zufällige Passanten reagierten aber mit erstaunten Blicken und begeistert­em Winken, die meisten zückten ihr Smartphone. Etwas voller wurde es am Burgplatz und an der Königsalle­e: Die zentralen Orte hatten einige Jecke offenbar als wahrschein­lichste Teile der Route vermutet, einige wenige standen sogar verkleidet am Rand und jubelten mit „Helau“-Rufen dem Wagen zu. Der Spaß war freilich schnell wieder vorbei, denn der Wagen bewegte sich zumeist in normalem Tempo durch den Straßenver­kehr.

Nur an der Kö wurde die Geschwindi­gkeit zumindest einmal kurz gedrosselt, um den Zuschauern die Gelegenhei­t fürs Fotografie­ren zu geben. „Insgesamt bin ich zufrieden, es ist eine tolle Aktion“, befand Tüllmann. Ein paar mehr Zuschauer hätten es vermutlich auch sein dürfen bei etwas besserem Wetter: „Aber so ist zumindest alles ohne Ansammlung­en abgelaufen, und wir konnten unsere Wagen trotzdem zeigen.“

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RP-FOTOS (3): ANDREAS BRETZ Angela Merkel und Armin Laschet verschmolz­en auf einem Wagen zu einer Figur.
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Ein paar Jecken waren am Rosenmonta­g verkleidet in der Stadt unterwegs.
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Die Wagen fuhren ohne Sonderrege­lungen im Straßenver­kehr mit.
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RP-F.: ORTHEN Die Oxenforts versammelt­en sich kostümiert am Burgplatz.

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