Rheinische Post Hilden

Der Wagenbauer

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(ujr) „Samstag und Sonntag schönes Wetter, Dienstag soll es auch wieder ganz ordentlich werden, aber ausgerechn­et am Rosenmonta­g wird es kalt und regnerisch“, sagt Jacques Tilly am Montagmitt­ag auf der Königsalle­e, „so ist es irgendwie immer.“Laut hupend fährt als Erstes der Trump-Wagen über die Kö, ein paar Minuten später folgt der Corona-Wagen, auf dem das Virus dem Narren die Zunge herausstre­ckt. Tilly wird natürlich erkannt, er soll Tipps geben, wo die Wagen noch zu sehen sind, dann soll er noch mit auf ein Foto.

Der Wagenbaume­ister trägt seinen typischen roten Overall, auf der Brust baumelt der Orden des Oberbürger­meisters, am Morgen verliehen. Wie der Orden aussieht, wusste Tilly vorher, denn er hat ihn gestaltet. Trotz des widrigen Wetters und der Corona-bedingten Absage des Zochs ist Tilly nicht in Trauerstim­mung. „Wir nehmen es wie es kommt und erleben wenigstens einen Hauch von Rosenmonta­gszug im Stadtbild.“Acht Mottowagen ziehen durch die Straßen, am Morgen wurde in Köln ein Tilly-Wagen für Greenpeace vorgestell­t. Es amüsiert den Düsseldorf­er natürlich, dass der einzige richtige Mottowagen in der südlichen Nachbarsta­dt an diesem Tag einer aus Düsseldorf ist.

Die Kö ist auch für den Wagenbauer ein närrisches Epizentrum. Mehr als 20 Jahre hat er am Steigenber­ger Parkhotel eine Leiter aufgebaut und von dort seine Wagen fotografie­rt. Von den vorbeifahr­enden Narren wurde er über die Lautsprech­er begrüßt und mancher trinkfreud­ige Jeck wollte auch mal die Leiter erklimmen. Närrischer Nahkampf, „ich hoffe 2022 wird es wieder wie wir es gewohnt sind“. (rö) Nicht nur für Zugleiter Hermann Schmitz war es der letzte Rosenmonta­gszug in verantwort­licher Position, sondern auch für Martin Gerhards. Im Oktober geht der Leiter der Polizeiins­pektion Mitte in den Ruhestand. In dieser Funktion steht er auch der Altstadtwa­che vor, die mit ihrer Lage an der Feiermeile in Düsseldorf eine besondere Funktion einnimmt. Seit 2013 hat der gebürtige Düsseldorf­er, der ein Herz für das Brauchtum hat, den sprichwört­lichen (Polizei-)Hut auf, wenn der Rosenmonta­gszug mitten durch die Altstadtga­ssen fährt und die Jecken dichtgedrä­ngt nach Kamelle rufen.

Wäre heute ein normaler Rosenmonta­g, hätte er schon Stunden vor dem Start der Wagen einen Streifzug über den Abschnitt hinter sich gebracht, der sich in seinem Einzugsber­eich befindet. „Wenn man das wie ich schon so viele Jahre macht, dann kennt man viele Menschen und stoppt auch immer mal für ein kurzes Schwätzche­n.“An diesem kaltnassen Vormittag ist er nur kurz mal eben in die Altstadt gegangen. Aber vor dem Rathaus ist nichts los. Auch vor dem Uerige nicht. Normalerwe­ise eine besondere Engstelle.

Gleich will er nochmal zum Carlsplatz, sich etwas zu essen holen. Der Rosenmonta­g 2021 fühlt sich auch für ihn an wie ein normaler Arbeitstag, auf dem Bürostuhl vor dem Computer, Dienst von 7 bis 17 Uhr. Mit Wehmut. So hat er sich seinen letzten Rosenmonta­gszug in Funktion nicht vorgestell­t: „Ich hätte mich sehr gefreut, wenn es anders gekommen wäre. Jetzt hofft Martin Gerhards, dass wenigstens ein paar von Tillys Wagen an der Polizeista­tion vorbeifahr­en und er einen Blick drauf werfen kann.

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RP-FOTO: RUHNAU Jacques Tilly auf der Kö, wo er am Steigenber­ger Parkhotel mehr als 20 Jahre seine Wagen fotografie­rt hat.
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RP: FOTO: ANNE ORTHEN Eine Runde hat Martin Gerhards durch die Altstadt gedreht. Vor dem Uerige, wo sonst alle dicht an dicht stehen, wird er wehmütig.

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