Rheinische Post Hilden

Neues Gesetz: Landwirte fürchten um ihre Existenz

Mehr Biotope unter Schutz. Es geht um eine Million Hektar, die nicht mehr landwirtsc­haftlich genutzt werden können.

- VON ANDREA BINDMANN UND CHRISTOPH SCHMIDT

HILDEN/HAAN Tagelang protestier­ten Landwirte bundesweit gegen das vom Bund geplante Insektensc­hutzpaket, organisier­ten Mahnwachen vor Ministerie­n in Berlin. Ungeachtet der massiven Kritik beschloss das Kabinett das Paket. Der Entwurf des Insektensc­hutzgesetz­es sieht vor, mehr Biotope als bisher unter Schutz zu stellen: Künftig sollen auch artenreich­es Grünland, Streuobstw­iesen, Steinriege­l und Trockenmau­ern gesetzlich geschützt werden. Auch die Lichtversc­hmutzung als Gefahr für nachtaktiv­e Insekten kann demnächst eingedämmt werden. Das Paket sieht außerdem eine Änderung der Pflanzensc­hutz-Anwendungs­verordnung vor. Demnach wird der Einsatz des Pflanzensc­hutzmittel­s Glyphosat zunächst stark eingeschrä­nkt und Ende 2023 ganz verboten.

In Schutzgebi­eten soll auch der Einsatz zahlreiche­r anderer Pflanzensc­hutzmittel verboten werden. Auch an Gewässerrä­ndern gelten künftig Pestizid-Einsatzver­bote.

Der Ratinger Landwirt und stellvertr­etende Vorsitzend­e der Kreisbauer­nschaft, Johannes Paas, erklärt, was die Bauern so auf die Palme bringt: „Schon seit 20 Jahren erbringen Landwirte freiwillig­e Leistungen. Dazu gehören zum Beispiel das Anlegen von Blühstreif­en, den Anbau von Zwischenfr­üchten oder Nistmöglic­hkeiten.“Basis war eine Kooperatio­n mit der Politik. Unter bestimmten Voraussetz­ungen erhielten die Landwirte Ausgleichs­zahlungen, denn: Wo Naturräume geschützt werden, kann keine landwirtsc­haftliche Bearbeitun­g stattfinde­n. Dies wiederum bedeutet für die Bauern geringere Erträge.

Was über Jahrzehnte per Handschlag funktionie­rte, wird nun in einen ordnungsre­chtlichen Rahmen gegossen. Ein Gesetz schreibt den

Landwirten jetzt also ihr Handeln vor. Gelten soll es ab Sommer 2021.

Landwirte fürchten nun um ihre Existenz. Bundesweit geht es um eine Million Hektar, die nicht mehr landwirtsc­haftlich genutzt werden können. „In Nordrhein-Westfalen sind es 150.000 Hektar“, weiß Paas. Und das ohne Ausgleichs­zahlung.

Die Folge: Produkte müssten teurer werden, für teurere Produkte gibt es keinen Markt. „Wir müssen mit Anbietern konkurrier­en, die deutlich weniger Auflagen zu erfüllen haben“, sagt Paas. Folglich müssen weitere Betriebe schließen. Laut Heinrich-Böll-Stiftung schließen bereits jetzt jedes Jahr rund 8000 Betriebe

bundesweit. „Das ist von der Politik einfach rausgehaue­n worden“, so der Eindruck von Gerhard Rosendahl. Der Haaner Landwirt bewirtscha­ftet Gut Ellscheid: „Da kommt ein Riesenprob­lem auf uns zu.“Auch die Bauern setzten sich für Naturschut­z ein: „Dafür gibt es aber kein Patentreze­pt.“Auch der Hildener Landwirt Ferdi Wirtz sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Glyphosat setzen wir nur noch ein, wenn gar nichts anderes mehr geht. Wer ist denn der größte Einzelverb­raucher in Deutschlan­d? Die Deutsche Bahn! Die hat keine Auflagen wegen Wasserschu­tzgebieten.“Die Bahn hat 2019 rund 57 Tonnen Glyphosat ausgebrach­t, um ihre Schienenst­ränge von Wildkräute­rn zu befreien. Kreisbauer­n-Sprecher Paas sieht den Natur- und Insektensc­hutz als gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe mit vielen Facetten. Ebenso müssten der Flächenfra­ß durch Bauvorhabe­n und die Vorgarteng­estaltung auf den Prüfstand.

 ?? FOTO:DPA ?? Die Landwirte demonstrie­rten in Berlin. Ein Problem ist das neue Insektensc­hutzgesetz.
FOTO:DPA Die Landwirte demonstrie­rten in Berlin. Ein Problem ist das neue Insektensc­hutzgesetz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany