Rheinische Post Hilden

Schmalz im Ohr

Viele Menschen meinen, sie müssten den äußeren Gehörgang sauber halten. Das ist unnötig, führt aber oft zu bizarren Verletzung­en.

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Unser Leser Klaus F. (39) aus Remscheid fragt: „Bei uns im Freundeskr­eis ist die Frage entstanden, ob man mit Wattestäbc­hen die Ohren überhaupt sauber machen darf. Und im Internet sieht man jetzt immer häufiger Werbung für neue Apparate, die das angeblich ganz toll machen können. Was ist davon zu halten?“

Immer wieder wird der Ohrenarzt gefragt, wie man die Gehörgänge reinigen und von Ohrschmalz befreien soll. Die Antwort: gar nicht. Die Ohrmuschel sollte man schon säubern, aber die Gehörgänge bitte nie: weder mit Ohrenstäbc­hen noch mit Haarnadeln oder Kugelschre­iber-Minen. Auch der kleine Finger hat im Ohr nichts verloren. Leider werden online jetzt vermehrt die in Ihrer Frage beschriebe­nen neuen „Apparate“beworben: korkenzieh­erähnliche Plastiksti­fte, mit denen es leicht gelingen soll, den Schmalz zu entfernen, gerade bei Kindern. Teilweise werden sie als „intelligen­t“beworben. Natürlich sind sie dann auch mit Batterien erhältlich. Andere wiederum können mit einer App verbunden werden und sollen das Säubern unter Sicht ermögliche­n.

Doch Vorsicht, die Gefahr der Verletzung von Gehörgangs­haut oder Trommelfel­l ist viel zu groß. Neben sehr schmerzhaf­ten Entzündung­en des Gehörgange­s sehen wir leider immer wieder ausgeprägt­e Löcher in den Trommelfel­len, die zu Mittelohre­ntzündunge­n und einer erhebliche­n Schwerhöri­gkeit führen können. Dies macht oft eine Antibiotik­atherapie erforderli­ch, manchmal ist jedoch eine operative Versorgung der letzte Ausweg.

Das Ohrenschma­lz, im Fachbergri­ff Cerumen, dient dem Schutz und der Pflege des Ohres. Die Farbe reicht von hellgelb

Peter Löhmer

bis dunkelbrau­n, es kann flüssig, aber auch fest sein. Sehr häufig reinigt sich das Ohr selbständi­g, indem der Schmalz nach außen transporti­ert wird. Dies kann dann leicht mit einem geölten Tuch entfernt werden. Bei Überproduk­tion oder mechanisch bedingtem Verdichten (Im-Ohr-Kopfhörer, Hörgeräte, Gehörschut­z oder Wattestäbc­hen) können festsitzen­de Schmalzpfr­öpfe entstehen, die zur Hörminderu­ng, aber auch zu lokalen Entzündung­en führen können.

Dicke Pfropfen darf ausschließ­lich ein HNO-Arzt entfernen

Hier ist der Ohrenarzt gefragt: Der Gehörgang wird in der Regel unter dem Mikroskop durch Absaugen oder Entfernen mit kleinen Küretten vollständi­g gereinigt; Spülungen können bei hartnäckig­en Pfropfen notwendig werden. Manchmal muss das Ohrenschma­lz aber auch erst eingeweich­t werden. Dies alles dauert nur wenige Minuten.

Achtung, Baby-Ohren sind sehr empfindlic­h! Auch hier gilt: Säuberung der Ohrmuschel­n ja, zum Beispiel mit einem Kosmetiktu­ch. Die Gehörgänge aber sind tabu, da sie viel zu klein sind und dadurch sehr verletzlic­h.

Was ist nun von den neuen „Apparaten“zu halten? Nichts, aber auch wirklich gar nichts. Sie sind nicht nur völlig überflüssi­g, sie können auch zu Gesundheit­sschäden führen.

Korrektur Auf unserer Gesundheit­sseite vom 9. Februar ist uns ein Fehler unterlaufe­n. Die gesetzlich vorgeschri­ebene Darmkrebsv­orsorge für Männer beginnt mit 50 Jahren, für Frauen mit 55 Jahren, nicht umgekehrt.

Unser Autor

Peter Löhmer ist niedergela­ssener HNO-Arzt in Mönchengla­dbach.

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