Impfstoff mit Image-Problem
Der Weltärzte-Präsident ist gegen eine Astrazeneca-Impfung bei Medizinern. Das Ministerium betont, das Vakzin sei nicht zweitklassig.
DÜSSELDORF Vor wenigen Wochen war der Impfstoff von Astrazeneca noch umkämpft. Die Europäische Union reagierte empört, als der britische Hersteller seine Lieferungen kürzte. Doch nun hat sich das Blatt gewendet. Bundesweit wurden 346.000 Impfdosen ausgeliefert, aber erst 65.000 Dosen verimpft, wie aus Zahlen des Robert-Koch-Institutes (RKI) hervorgeht. „Der Impfstoff ist zwar genauso sicher wie die anderen und hat nach aktueller Studienlage auch nicht mehr Nebenwirkungen“, sagte Weltärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery unserer Redaktion. Aber er habe ein Imageproblem.
Das Vakzin von Astrazeneca soll in Deutschland wegen mangelnder Studien für Ältere nur an unter 65-Jährige gehen und wird vor allem für Mitarbeiter von Rettungs- und Pflegediensten eingesetzt. Neben Düsseldorf reagieren auch andere Kommunen darauf, dass es zu Nebenwirkungen kommen kann, die zum kurzzeitigen Ausfall von Belegschaften führen können.
Im Kreis Kleve wird der Impfstoff seit dem 10. Februar an besondere Berufsgruppen wie den Rettungsdienst verimpft. „Danach sind vermehrt Rückmeldungen zu Nebenwirkungen eingegangen“, erklärte die Sprecherin des Kreises. Dabei handle es sich um „grippeähnliche Beschwerden“in unterschiedlichen Ausprägungen. Da die Termine über zwei Wochen verteilt waren, sei es zu keinem Problem beim Personaleinsatz gekommen.
Der Kreis Mettmann dagegen musste umplanen, nachdem sich der Krisenstab mit einer erhöhten Zahl an Krankmeldungen im mobilen Pflegedienst und Rettungsdienst befasst hatte. Laut Thomas Nasser, dem ärztlichen Leiter des Impfzentrums, gehört Fieber zwar zu den „normalen Nebenwirkungen“einer Impfung. Gleichwohl wurde die Terminvergabe angepasst, sodass die Schichten gestaffelt und nicht – wie ursprünglich geplant – in einem Rutsch durchgeimpft werden. So geht man auch in Erkelenz vor: Mitarbeiter würden über mehrere Tage verteilt ihre Impfungen erhalten, um die Einsatzfähigkeit des Rettungsdienstes und der Arztpraxen nicht zu gefährden, erklärte der Kreis Heinsberg.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Deutschlands oberste Arzneimittelbehörde, schaut sich die Meldungen genau an: „Ganz generell kann man sagen, dass aus den klinischen Prüfungen bekannt ist, dass dieser Impfstoff reaktogen ist“, erklärte die PEI-Sprecherin. „Aktuell untersucht das Referat Arzneimittelsicherheit, ob die gemeldeten Reaktionen über das hinausgehen, was in den klinischen Prüfungen beobachtet wurde und ob – sofern das der Fall ist – Gründe dafür erkennbar sind.“
Astrazeneca sieht keinen Anlass zur Sorge: „Derzeit sind die gemeldeten Reaktionen so, wie wir sie aufgrund der Erkenntnisse aus unserem klinischen Studienprogramm erwarten würden“, erklärte eine Sprecherin des Pharmakonzerns. Dazu gehörten vorübergehend etwa Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen. Man behalte die Situation genau im Auge. „Unser Impfstoff ist in mehr als 50 Ländern auf vier Kontinenten zugelassen. Es gab keine bestätigten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Impfung.“
Das NRW-Gesundheitsministerium, das eine gestaffelte Impfung bei Rettungsdiensten empfohlen hat, betonte: „Der zugelassene Impfstoff von Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse.“Er zeige eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit, um schwere Corona-Erkrankungen zu verhindern. Aufgrund der derzeit begrenzten Mengen bestehe nicht die Möglichkeit, sich den Impfstoff auszusuchen.
Genau das fordert aber nun der Chef des Weltärztebundes. „Ich habe Verständnis für medizinisches Personal, das sich nicht mit dem Astrazeneca-Vakzin impfen lassen will“, sagte Frank Ulrich Montgomery. „Die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren.“Daher halte er es für geboten, Menschen mit hohem Infektionsrisiko, zu denen medizinisches Personal oder Pflegekräfte gehören, mit besser wirksamen Vakzinen zu impfen. Junge, gesunde Menschen ohne viele Kontakte könnten hingegen von Astrazeneca sehr profitieren. „Es muss eine Auswahlmöglichkeit der Impfstoffe geben, damit die Impfbereitschaft hoch bleibt.“
Die freie Auswahl lehnt Patientenschützer Eugen Brysch dagegen ab: „Für die nächsten Monate bleibt absehbar, dass nicht ausreichend Impfstoffe zur Verfügung stehen. Deshalb muss priorisiert werden. Solange das so ist, kann es keine Wahlmöglichkeiten geben.“