Rheinische Post Hilden

Zverev vergibt die große Chance

Der Hamburger verpasst in einem harten Kampf gegen Novak Djokovic das Halbfinale der Australian Open.

- VON ROBERT SEMMLER UND WOLFGANG MÜLLE

MELBOURNE (dpa) Wie ein geschlagen­er Mann am Ende seiner Kräfte schlich Alexander Zverev nach dem schmerzlic­hen Viertelfin­al-Aus gegen Novak Djokovic aus der Rod-Laver-Arena Richtung Kabine. Deutschlan­ds bester Tennisprof­i hatte gegen den Titelverte­idiger alles für sein zweites Halbfinale bei den Australian Open und die große Chance auf das Endspiel gegeben. Doch nach dreieinhal­b Stunden mit kuriosen Wendungen unterlag der Weltrangli­sten-Siebte der angeschlag­enen Nummer eins 7:6 (8:6), 2:6, 4:6, 6:7 (6:8).

Der 23 Jahre alte Hamburger wusste in Melbourne um 0.30 Uhr Ortszeit in der Nacht zum Mittwoch, dass er nach dem knapp verlorenen US-Open-Finale im Vorjahr auch die Möglichkei­t vergeben hatte, erneut um seinen ersten Grand-Slam-Titel zu kämpfen. Denn im Halbfinale am Donnerstag hätte überrasche­nd der russische Qualifikan­t Aslan Karazew gewartet. Der 27 Jahre alte 114. der Weltrangli­ste besiegte den am Rücken verletzten Bulgaren Grigor Dimitrow 2:6, 6:4, 6:1, 6:2.

Auch bevor er seine Niederlage wenig später zu erklären versuchte, ging Zverev noch mit gesenktem Kopf langsam durch die Katakomben. „Er ist ein Champion, das hat er heute wieder gezeigt“, sagte er über Djokovic. „Ich glaube, dass ich in manchen Momenten vielleicht sogar besser gespielt habe. Aber er ist ein Gewinner, das hat er heute auf dem Platz gezeigt. Novak steigert sein Niveau einfach.“

Der achtmalige Australien-Champion holte ungeachtet einer Bauchmuske­lverletzun­g Rückstände im dritten und vierten Satz auf und agierte wie ein 17-facher Grand-Slam-Champion, als es darauf ankam. „Bis zum letzten Punkt hätte es in beide Richtungen ausgehen können. Wenn er das Match gewonnen hätte, wäre es sicher nicht unverdient gewesen“, räumte Djokovic geschafft ein. „Er hat an die Tür geklopft. Ein, zwei Fehler im ungünstige­n Moment haben den Ausschlag gemacht“, sagte Boris Becker als TV-Experte von Eurosport über Zverev. Dessen älterer Bruder Mischa

stellte mit Blick auf die vergebenen Führungen nach Breaks fest: „Da macht es Sascha nicht gut genug.“Alexander Zverev meinte: „Ich finde, dass ich nicht weit entfernt bin.“Den vergebenen Chancen trauerte er zurecht nach.

Auch Zverev war zuletzt am Bauch nicht beschwerde­frei. Keine zwei

Wochen nach der knappen Niederlage beim ATP Cup an gleicher Stelle gelang ihm mit dem schnellen 2:0 jedoch ein Start nach Maß. In der 15.000 Zuschauer fassenden, wegen des zunächst bis Mittwoch geltenden Lockdowns aber nahezu menschenle­eren Rod-Laver-Arena entwickelt­e sich das achte Duell der beiden zunächst ganz anders als die vergangene­n. „So habe ich es, glaube ich, noch nie gesehen, dass er so schnell auf die Punkte geht, gerade auf der Vorhandsei­te“, sagte Becker erstaunt. Der Wimbledons­ieger kennt Djokovic, der seine Spielweise wegen der Verletzung zunächst änderte, aus seinen drei Jahren als dessen Trainer bestens. Einen Satzball zum 3:6 wehrte Djokovic ab, dann schaffte er mit gewohnter Konstanz den Ausgleich zum 5:5. Zverev wollte diesmal mit voller Kraft aufschlage­n und holte den Satz noch.

Doch Djokovic war nun besser im Match, auch wenn er einmal nach einem verpassten Rebreak seinen Schläger zerhackte. Zverev verpasste sogar höhere Führungen und sah dies als mitentsche­idend. In der intensiven und längst auch hochklassi­gen Partie wehrte der Weltrangli­sten-Erste im vierten Durchgang einen Satzball zum 5:7 per Ass ab und schaffte im Tiebreak mit einem Ass beim zweiten Matchball die Entscheidu­ng.

Serena Williams kam derweil der Einstellun­g des bedeutends­ten Grand-Slam-Rekordes wieder ein Stück näher. Die langjährig­e Weltrangli­sten-Erste hat nach dem beeindruck­enden 6:3, 6:3 über Simona Halep aus Rumänien weiter die Chance auf ihren 24. Titel bei einem der vier wichtigste­n Turniere und damit auf den Allzeit-Rekord der Australier­in Margaret Court.

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FOTO: DAVE HUNT/IMAGO IMAGES Alexander Zverev zeigte einige sehenswert­e Schläge gegen Novak Djokovic.

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