Teamplayerin trainiert Herrenmannschaften
Die Spätstarterin im Basketball profitiert noch heute von ihrer Zeit als Coach der U 19-Bundesliga-Jugend des TSV Bayer Leverkusen.
HILDEN Für die Basketballer des TuS 96 läuft es in den vergangenen Monaten nicht rund. Wegen der Corona-Pandemie verschob der Westdeutsche Basketballverband bereits mehrfach den Saisonstart. Jetzt soll es am 3. Mai 2021 endlich mit der Meisterschaftsrunde losgehen – allerdings in stark veränderter Form. Ob es dann mit dem Anpfiff der Spielzeit wirklich klappt? Daran verschwendet Nadine Homann zurzeit nicht allzuviele Gedanken. „Es ändert sich doch immer wieder etwas“, sagt die Trainerin der Hildener Herrenmannschaft und setzt aktuell auf das Prinizip „Abwarten“. Das entspricht eigentlich nicht ihrem Naturell, denn die 40-Jährige packt die Dinge gerne frühzeitig und engagiert an – in Bereichen, wo sie selbstständig etwas bewegen kann. „Sie ist sehr strukturiert in ihrer Arbeitsweise“, erklärt Thorsten Züchner. Der Abteilungsleiter lobt: „Fachlich ist sie super, ihr macht keiner etwas vor.“
Seit drei Jahren trainiert Homann die in der Oberliga spielende Herrenmannschaft des TuS 96. Im Frühsommer 2018 übernahm sie das Team, das nach dem Abschied ihres Vorgängers Cem Karal vor einem Umbruch stand. „Es waren nur noch sechs Männer dabei“, berichtet Homann. Die Düsseldorferin schreckte vor der Herausforderung nicht zurück, nutzte vielmehr ihr über viele Jahre im Trainerjob gereiftes Netzwerk, um eine Mannschaft zusammenzustellen, die qualitiativ und quantitativ dem Anspruch genügt, in der oberen Tabellenregion mitzumischen und mittelfristig auch den Aufstieg in die 2. Regionalliga in Angriff zu nehmen.
Dabei kam Nadine Homann erst spät mit dem Basketball in Berührung. „Ich habe Völkerball in einer Mannschaft gespielt“, erzählt sie und ergänzt: „Kaum einer weiß, dass es da auch Meisterschaften gibt.“Zuvor stand Reiten im Fokus der Heranwachsenden, „ganz erfolgreich“, wie sie anmerkt. Um drei Ecken lernte sie dann den Basketball-Sport kennen – über die Schwester ihrer Freundin, die mit den Worten lockte: „Kommt doch mal mit, wir suchen noch Leute für unsere Mannschaft.“
Homann betrat gänzlich unbekanntes Terrain. „Basketball wurde weder in der Schule gespielt noch im Fernsehen gezeigt und damals hatten wir auch noch kein Internet“, erklärt sie. Mit 14 Jahren hielt sie beim Garather SV den orangefarbenen Ball das erste Mal in der Hand – und es war Liebe auf den ersten Blick. „Das lag auch an den Leuten. Mädchen zwischen elf und 14 Jahren waren damals in der Mannschaft“, erinnert sie sich.
Was macht Basketball attraktiver als Völkerball? Homann kommt die Antwort schnell über die Lippen:
„Das Rennen ist dabei. Und in Angriff und Verteidigung hat man mehr mit dem Ball zu tun. Man kann einen Korbleger machen oder den Ball auch mal durch die Beine spielen. Die Erfolgserlebnisse sind größer.“Die junge Sportlerin lernte schnell, absolvierte ein Probetraining bei Bayer Levekusen und verließ nach nur anderthalb Saisons den Garather SV Richtung Werksklub. „Im ersten B-Jugend-Jahr bin ich allein mit der Bahn nach Leverkusen gefahren“, erzählt Homann. Mit dem Bayer-Jugendteam feierte sie dann auch die Deutsche Meisterschaft, blieb dem Verein bis zur Frauen-Bundesliga verbunden.
Als der Leverkusener Klub den Damenbereich abbaute, wechselte Homann zu Bayer Uerdingen, später zum ETB SW Essen und wieder zurück zum Garather SV. Zehn Jahre lang spielte Nadine Homann dann für die dritte Frauenmannschaft des BBZ Leverkusen in der Oberliga
Nadine Homann Trainerin TuS Hilden
– längst lag ihr Fokus da allerdings schon auf der Trainerarbeit. Auf den Geschmack kam sie, als sie in ihrer A-Jugend-Mannschaft für den verhinderten Trainer das Coachen übernahm. „Ich habe das ein-, zweimal gemacht und die Mädels fanden es gut“, berichtet sie. Sie übernahm eine B-Jugend-Jungen-Mannschaft, „um ihr Taschengeld etwas aufzubessern“. Weil auch das gut funktionierte, „bin ich relativ schnell in einen höherklassigen Bereich gekommen“.
Was macht den Unterschied zwischen Frauenund Herrenmannschaften aus? „Bei den Herren ist die intrinsische Motivation eine ganz andere. Der Siegeswille ist immer da“, erläutert die B-Lizenz-Inhaberin und fährt fort: „Frauen, die unterhalb der Bundes- und Regionalliga spielen, haben ganz selten diesen Charakterzug. Die wollen zwar auch gewinnen, aber wenn es nicht klappt, ist es auch nicht schlimm.
Dann heißt es: Wir hatten einen schönen Abend zusammen.“Auch in grobmotorischer Hinsicht unterscheiden sich die Geschlechter. „Bei einem Sprungwurf bleiben die Männer zum Beispiel länger in der Luft, während den Frauen dazu die Kraft fehlt“, sagt Homann. Nicht zuletzt unterscheidet sich die Punkteausbeute in den Spielen deutlich.
Als 2007 Otto Reintjes, damsls Manager des Bundesligisten Bayer Leverkusen, Nadine Homann den Job als Trainerin der in der NBBL spielenden U 19 des Werklubs anbot, zögerte die engagierte Basketballerin keine Sekunde und sagte zu. „Ich war stolz wie Oskar“, gesteht sie. Es wurde für sie eine anstrengende Saison, denn die U19 von Bayer spielte nicht nur in der Jugend-Bundesliga, sondern auch als Herren-Team in der 2. Regionalliga. Zudem hatte die Düsseldorferin gerade erst die U16 der Elephants Grevenbroich übernommen und
Thorsten Züchner Abteilungsleiter TuS Hilden war zugleich unter Chefcoach Heimo Förster Co-Trainerin der Grevenbroichener Herrenmannschaft, „als erste Frau in der 1. Regionalliga“, merkt sie an und stellt fest: „Damals war ich 26 – für mich war es das richtige Sprungbrett in den professionellen Bereich.“Gerne erinnert sich Nadine Homann an die Zeit bei der Bayer-Jugend zurück. „Das waren tolle Jungs“, sagt sie und ihre Augen glänzen.
Nach fünf Jahren beim TuS Opladen legte Homann im Seniorenbereich eine schöpferische Pause ein – bis 2018 der TuS 96 anklopfte. Auch hier absolviert sie bereits die dritte Saison und eine Fortsetzung der Zusammenarbeit scheint sicher. „Mir geht es nicht ums Geld. Die Leute müssen meine Arbeit auch wertschätzen, dann arbeitet man länger zusammen“, betont sie. Dabei macht sie aus ihren Aufstiegsambitionen keinen Hehl: „Die Stadtwerke Arena ist eine super Halle für die 1. Regionalliga und die Mannschaft könnte den Verein gut über Hilden hinaus repräsentieren.“
Ihr Faustpfand als Trainerin? „Sie hat einen reichen Erfahrungsschatz. Der ist sehr wertvoll und gibt ihr die Souveränität. Sie hat keine Starallüren, agiert mit allen sehr kollegial auf Augenhöhe“, analysiert Thorsten Züchner. Der Abteilungsleiter unterstreicht aber auch ihre wichtige Rolle in der Frauenmannschaft: „Für den Teamspirit ist sie ganz wichtig, hat die richtigen Worte parat, um die Mitspielerinnen bei Laune zu halten. Nadine ist eine wahnsinnige Teamplayerin, hat auch immer gute Tipps für die 18-jährigen Talente.“Natürliche Führungsqualität nennt man das wohl. Homann, die im Hauptberuf als Projektmanagerin für die Telekom arbeitet, konstatiert: „Ich habe alles selbst mit und durch meine Spieler gelernt. Meine eigenen Spieler waren meine Mentoren – und sind es auch heute noch.“
„Bei den Herren ist die intrinsische Motivation eine ganz andere. Der Siegeswille ist immer da“
„Sie hat einen reichen Erfahrungsschatz. Der ist sehr wertvoll und gibt ihr die Souveränität“