Schuldenfreiheit – auch ein Lebensgefühl
Kolumne Weil die Steuereinnahmen wegbrechen, sind Kredite für Investitionen wieder erlaubt.
Gut 13 Jahre lang konnten die Düsseldorfer das gute Gefühl haben, in einer Stadt zu leben, die sich abhebt von anderen. In einer Stadt, die sich aus drückenden Schuldenfesseln befreit hat und nun das Geld, das sie sonst für Zins und Tilgung ausgegeben hat, für Investitionen einsetzen kann. Schulen, Bäder, Kulturbauten profitierten, es wurden neue Museen wie das Kit, die Akademiegalerie am Burgplatz oder das Museum für Gartenkunst eröffnet. Auch die oft kritisierten Kö-Bogen-Tunnel haben die Stadt attraktiver gemacht, da sie an der Oberfläche mehr Platz für Passanten, Radler und Grün bedeuten. Die Lebensqualität hat merklich zugenommen.
Jetzt müssen wir nicht gleich in Sack und Asche gehen, die Corona-Krise trifft mit wegbrechenden Steuereinnahmen alle Städte, und Düsseldorf als prosperierendes Oberzentrum verfügt über einen guten Branchenmix, so dass die Hoffnung berechtigt ist, dass sich ein Anziehen der Wirtschaft auch in der Stadtkasse bemerkbar machen wird. Das aber dürfte einige Jahre dauern, denn die Verluste der Unternehmen werden ihre Steuerkraft erst noch schmälern. Dass Oberbürgermeister Stephan Keller und die neue schwarz-grüne Ratsmehrheit nun sagen, sie wollen sich nicht aus der Krise heraussparen, und für Investitionen auch Schulden in Kauf nehmen, ist richtig. Die Zinsen sind niedrig, die Wirtschaft muss sich erholen und benötigt Aufträge, die Öffentlichkeit profitiert.
Die Frage ist nur: Wie lange soll dieser Prozess andauern? Wie groß darf der neue Schuldenberg werden? Da dürfte kritischen Beobachtern angst und bange werden. 560 Millionen Euro sollen dieses Jahr investiert werden, 211 Millionen mehr als im Ursprungsentwurf vorgesehen. Der grüne Fraktionssprecher Norbert Czerwinski sagt angesichts der Pandemie, „es wäre nicht seriös, wenn wir jetzt sagen, bei einer Milliarde Schulden ist Schluss“.
Das ist starker Tobak. Sind dann auch zwei Milliarden Euro Miese nicht so schlimm? Um den größeren Bogen zu schlagen: Als CDU und FDP die Stadtregierung 1999 übernahmen, hatte Düsseldorf gut drei Milliarden D-Mark Schulden, umgerechnet 1,6 Milliarden Euro. Steuerausfälle nach der Wiedervereinigung hatten zuvor zusätzlich zu einem Defizit von 500 Millionen D-Mark geführt. Fünf Jahre wurde eisern gespart, sogar die Brunnen blieben trocken, um dieses Loch im Haushalt zu stopfen. Sollte SchwarzGrün wirklich in fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro Schulden produzieren, wäre das eine besondere „Leistung“– dafür hat man früher 30 Jahre benötigt.
Die Krise darf deswegen nicht der
Persilschein für ungehemmte Kreditaufnahme werden. Wer es ernst meint mit der kommunalen Selbstverwaltung – die wird sonst irgendwann durch den Sparkommissar der Bezirksregierung eingeschränkt – spricht schon heute über ein Ende des Schuldenmachens. Denn niedrige Zinsen befreien nicht von der Rückzahlungsspflicht. Ein Beispiel: Als das Rheinstadion für den Bau der Arena abgrissen wurde, waren die letzten Baukredite für das alte Stadion noch nicht abbezahlt.
Die Schuldenfreiheit ist für viele Düsseldorfer deswegen nicht ein abstraktes Mantra, sondern ein hohes Gut, ein Instrument, das Beweglichkeit und sogar Freiheit schafft. Um sich zu disziplinieren, hat der Stadtrat deswegen 2014 die Schuldenbremse beschlossen, übrigens auch mit den Stimmen der Grünen. Diese Schuldenbremse hatte schon der 2008 verstorbene Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) angeregt, weil die, die nach ihm kämen, schwächer sein würden. Da schwingt Überheblichkeit mit, zumal der Schuldenbbau mit dem Verkauf von Tafelsilber einherging. Erwin und Schwarz-Gelb verkauften Stadtwerke-Anteile und RWE-Aktien, die Ampel-Kooperation der zurückliegenden sechs Jahre veräußerte das Kanalnetz. Das alles geschah mit dem Ziel, den Kernhaushalt schuldenfrei zu halten.
Viel zu verscherbeln ist nicht mehr, die 50 Prozent, welche die Stadt am Flughafen hält, sind ja derzeit auch kein Verkaufsschlager. Es bleibt also nichts anderes übrig, als doch zu sparen und bei Finanzierungen auch mal neue Wege zu gehen. In den neunziger Jahren wurde durch eine Public-Private-Partnership der Ehrenhof saniert (Stiftung Museum Kunstpalast). Warum sollten private Investoren nicht auch beim Opern-Neubau ins Boot?