Warum die Fastenzeit mehr als der Verzicht auf Schokolade ist
An Aschermittwoch beginnt für viele die Fastenzeit. Wer in der Pandemie an psychische Grenzen stößt, sollte sich aber nicht zusätzlich unter Druck setzen.
DÜSSELDORF Aschermittwoch ist der Tag, an dem die Karnevalssession vorbei ist und nicht nur für Gläubige eine siebenwöchige Fastenzeit beginnt, die bis Ostern andauert. Doch ist das Fasten im Lockdown eine gute Idee? Verzichten wir wegen der Corona-Pandemie nicht seit Monaten schon genug auf schöne Dinge – sollen wir jetzt auch noch Schokolade und das Glas Wein am Abend weglassen? Diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten. Der katholische Stadtdechant Frank Heidkamp und Superintendent Heinrich Fucks von der evangelischen Kirche glauben aber, dass das Fasten auch in der Corona-Zeit möglich ist.
Für Heidkamp bedeutet die Fastenzeit nämlich nicht Verzicht. Vielmehr ist es für ihn eine Zeit, in der Körper, Seele und Geist in die Tiefe
gehen. „Was brauche ich und was nicht? Was ist wichtig und wertvoll in meinem Leben? Was gibt meinem Leben Sinn?“, zählt der Dechant Fragen auf, mit denen er sich auseinandersetzt. Auch das Teilen mit anderen sei ein Bestandteil der Fastenzeit, genauso wie die Vorbereitung auf Ostern, das Fest des Lebens und in diesem Jahr wegen Corona ein ganz besonderes Hoffnungsfest. „Ich frage mich jedes Jahr aufs Neue, was meinem Leben Sinn gibt und richte den Blick auf andere. Ich möchte mich nun gezielt für Menschen einsetzen, vor allem für ältere, die einsam sind und um die sich keiner kümmert. Für mich ist das eine Lebensbereicherung“, sagt Heidkamp.
„Verzichten“wird der Dechant aber auch: auf Alkohol. Sein Kollege Heinrich Fucks will bis Ostern keine Schokolade mehr essen. In der Pandemie habe er – wie viele andere auch – zugenommen, deshalb sei dieser Verzicht auch aus gesundheitlichen Aspekten angebracht. Vor allem aber hat sich Fucks vorgenommen, digital den Kontakt zu Menschen aufzunehmen, die er sonst in diesen Tagen zum Beispiel bei Neujahrsempfängen treffen würde, um sich nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren. Für ihn ist das ein Teil der Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“der evangelischen Kirche.
Die evangelische Tersteegen-Kirchengemeinde macht bei der Fastenaktion für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit „So viel du brauchst“mit. „Corona hat uns gezeigt: Ein Weiter wie bisher kann es nicht geben. Darum wollen wir gemeinsam ausprobieren, was wir wirklich brauchen, uns auf Wesentliches konzentrieren und uns von einem Zuviel von allem lösen“, erklärt Felicitas Schulz-Hoffmann, Pfarrerin der Gemeinde.
Die Fastenzeit bedeutet also mehr als nur den Verzicht auf Schokolade und das Glas Wein. Sollte für jemanden in der Pandemie die psychische Belastung aber schon groß genug sein, dann sollte man sich nicht noch zusätzlich unter Druck setzen und auf etwas verzichten, rät Stefanie Dechering. Die Chefärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LVR-Klinikum gibt einen anderen Tipp: „Vielleicht nimmt man sich dann lieber etwas vor, was die Gesundheit fördert – zum Beispiel mehr Bewegung.“