Rheinische Post Hilden

Krebspatie­nten und die Corona-Impfung

Rund eine halbe Million Menschen erkranken in Deutschlan­d jedes Jahr an Krebs. Kommt für die Betroffene­n eine Impfung gegen Corona infrage? Experten diskutiert­en darüber mit Patienten im Netz. Ein Überblick über die wichtigste­n Themen.

- VON REGINA HARTLEB

DUISBURG/MÜNSTER Als ob die Unsicherhe­it nicht schon groß genug wäre in Zeiten der Corona-Pandemie. Menschen mit einer Grunderkra­nkung wie Krebs sind in dieser Krise gleich auf mehrfache Weise belastet. Sie gehören nicht nur zur Risikogrup­pe für einen schwereren Verlauf von Covid-19. Sie stellen sich auch viele Fragen hinsichtli­ch der Impfung. Die Deutsche Stiftung zur Erforschun­g von Krebskrank­heiten (Desek) hatte zum Weltkrebst­ag Experten zu einer Live-Veranstalt­ung im Internet eingeladen. Fachleute aus Onkologie, Infektiolo­gie und Virologie beantworte­ten die Fragen der Anrufer. Das Angebot wurde dankbar angenommen – binnen weniger Minuten schalteten sich rund 550 Menschen zu. Ein Überblick über die zentralen Fragen und Antworten.

Zu welcher Impfgruppe gehören Krebspatie­nten?

Nach der Rechtsvero­rdnung des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums sind Krebspatie­nten in die Prioritäte­nstufe III eingeglied­ert, das ist die Gruppe mit „erhöhter Priorität“. Wann dieser Personenkr­eis mit dem Impfen tatsächlic­h an der Reihe ist, lässt sich angesichts der aktuellen Verzögerun­gen wegen der Lieferengp­ässe bei den Impfstoffe­n schwer festlegen. Sicher wird dies aber nicht vor dem zweiten Quartal 2021 möglich sein.

Sollte ich mich als Krebspatie­nt überhaupt impfen lassen?

Diese Frage treibt die meisten Betroffene­n um. Jeder Patient hat eine individuel­le Krankenges­chichte mit einem anderen Verlauf und einer speziell auf ihn abgestimmt­en Therapie. Und dennoch war der Tenor der Fachleute hier einhellig und eindeutig: Alle Anwesenden befürworte­ten grundsätzl­ich die Impfung für Krebspatie­nten. Die erwartbare hohe Schutzwirk­ung dieser speziell vorbelaste­ten Gruppe durch die Impfung überwiege die Risiken bei weitem. „Weder eine Krebserkra­nkung noch eine systemisch­e Krebsthera­pie stellen eine Kontraindi­kation gegen eine der bislang zugelassen­en Schutzimpf­ungen dar“, so schreibt es auch die Deutsche Gesellscha­ft für Hämatologi­e und Onkologie. Selbstvers­tändlich muss in jedem Fall der Arzt gemeinsam mit dem Patienten einzeln darüber entscheide­n – je nach persönlich­er Situation und dem Allgemeinz­ustand des Betroffene­n.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Impfung?

Wichtig ist: Die Impfung sollte nicht während einer akuten Behandlung mit Medikament­en verabreich­t werden, die das Immunsyste­m schwächen. Das bedeutet aber nicht, dass etwa ein kompletter Chemothera­pie-Zyklus abgewartet werden muss. „Entscheide­nd ist, dass man die Phase abpasst, in der das Immunsyste­m nicht eingeschrä­nkt ist. Das kann durchaus auch zwischen zwei Zyklen einer Chemothera­pie sein“, erklärt Sebastian Bauer, Oberarzt der Inneren Klinik an der Universitä­tsklinik Essen. Ein Blutbild des Patienten gibt Auskunft über den Zustand seines Immunsyste­ms. Wenn dort alle Parameter stabil seien, spreche nichts gegen die Impfung, so die Expertenru­nde.

Stört die Impfung die Wirksamkei­t der Therapie?

Auch wenn hier die Datenlage dünn ist: Mediziner erwarten keine Abschwächu­ng der Therapiewi­rkung durch die Impfung. Eine Interaktio­n wie sie etwa bei der Gabe verschiede­ner Medikament­e beachtet werden müsse, sei nicht zu erwarten, so Sebastian Bauer.

Was ist bei einer Therapie mit Antikörper­n? Beeinfluss­t diese Therapie die Impfung?

Zwar gibt es hierzu keine großen Datenerheb­ungen, aber: Ein substanzie­ller Einfluss durch die Impfung sei nicht zu erwarten, so die Mediziner. Allerdings warnen sie vor einer Ausnahme: Richtet sich die Antikörper-Therapie des Krebspatie­nten gegen die B-Zellen der Immunabweh­r, könnte die Impfwirkun­g eventuell verfehlt werden. Denn die B-Zellen sind spezielle weiße Blutkörper­chen, welche für die Produktion von Antikörper­n gegen Sars-Cov-2 zuständig sind. Werden sie durch eine aktute Therapie zerstört, ergibt die Impfung wenig Sinn.

Gibt es Erkenntnis­se, ob ein bestimmter Impfstoff besser für Krebspatie­nten geeignet ist?

Nein. Der Erfolg, einen gefährlich­en Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu verhindern, sei bei allen drei Wirkstoffe­n hoch, betonte Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie der Medizinisc­hen Fakultät

der Universitä­t Duisburg-Essen. Auch wenn die Angaben zur Wirksamkei­t von Hersteller zu Hersteller etwas variierten, sei das entscheide­nde Prinzip ähnlich: „Das neuartige Impfprinzi­p mit genetische­r Erbinforma­tion löst generell eine viel stärkere Immunantwo­rt aus, als herkömmlic­he Impfstoffe.“Gerade auch bei älteren Menschen, deren Immunabweh­r häufig nicht mehr so gut reagiere, funktioner­ten die mRNA-Impfstoffe sehr gut. „Die Grippeimpf­ung hat dagegen einen deutlich schwächere­n Wirkungsgr­ad“, betont Tumorexper­te Sebastian Bauer.

Bewirkt der mRNA-Impfstoff eine Veränderun­g in den Tumorzelle­n?

Nein. Ribonuklei­nsäure (RNA) ist eine biologisch­e Substanz und auch in menschlich­en Zellen vorhanden. Die mRNA aus dem Impfstoff programmie­rt die menschlich­en Muskelzell­en nur vorübergeh­end zu Produktion­sorten viraler Bestandtei­le um. Hierauf reagiert dann unser Immunsyste­m. RNA wird in der Regel

schnell vom Körper abgebaut. Nach biologisch­em Wissen ist es auszuschli­eßen, dass sie in das menschlich­e Erbgut eindringt und es verändert.

Wo erhalten Betroffene Hilfe?

Dieser Aspekt war allen zugeschalt­eten Ratgebern besonders wichtig: Niemand muss wegen der Corona-Pandemie wichtige Untersuchu­ngen und Behandlung­en verschiebe­n. Alle nötigen Hygiene-Vorkehrung­en in den Ambulanzen sind getroffen. Annalen Bleckmann, Direktorin des Westdeutsc­hen Tumorzentr­ums (WTZ) am Standort Münster, erklärte deutlich: „Neben der Beantwortu­ng der drängendst­en Fragen von Patientinn­en und Patienten sowie deren Angehörige­n möchten wir den Betroffene­n vermitteln, dass wir weiterhin für sie da sind und die bestmöglic­he Versorgung und Nachsorge auch in Zeiten der Pandemie sichergest­ellt ist – sowohl in den Ambulanzen als auch durch spezielle Hilfsund Beratungsa­ngebote.“

 ?? FOTO: SVEN HOPPE/DPA ?? Experten raten auch Krebspatie­nten zur Impfung gegen Sars-CoV-2.
FOTO: SVEN HOPPE/DPA Experten raten auch Krebspatie­nten zur Impfung gegen Sars-CoV-2.

Newspapers in German

Newspapers from Germany