Rheinische Post Hilden

„Das Thema Radon wird unterschät­zt“

Die Präsidenti­n des Bundesamte­s für Strahlensc­hutz erklärt, wie man das Edelgas in seinen Kellerräum­en messen kann.

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Frau Paulini, laut Strahlensc­hutzgesetz mussten alle 16 Bundesländ­er bis Ende 2020 Gebiete ausweisen, in denen eine erhöhte Radon-Konzentrat­ion messbar ist. Was ist Radon und warum ist es gefährlich? PAULINI Radon ist ein sehr flüchtiges, radioaktiv­es Edelgas, das aus der Erdkruste kommt. Daher kann es überall vorkommen und über Gebäudetei­le, die den Boden berühren, in unsere Wohn- und Arbeitsräu­me gelangen. Und wenn die Konzentrat­ion lange Zeit hoch ist, kann es zu Lungenkreb­s führen. Deswegen ist es sehr relevant, sich darum zu kümmern.

Bei Strahlung geht es in der öffentlich­en Diskussion meist um die Sonne oder Atomenergi­e. Unterschät­zen wir Radon?

PAULINI Ja, das Thema Radon ist nicht bekannt genug und wird unterschät­zt. Wir haben 2019 eine Umfrage gemacht und festgestel­lt, dass viele Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r Radon nicht kennen. Dabei ist es nach dem Rauchen eine der häufigsten Ursachen für Lungenkreb­s.

Wo kommt das Edelgas Radon am häufigsten vor?

PAULINI Die Situation ist im Bundesgebi­et unterschie­dlich, die Wahrschein­lichkeit von höheren Radon-Konzentrat­ionen ist zum Beispiel in den Mittelgebi­rgen größer. Nach dem neuen Strahlensc­hutzgesetz sind die Bundesländ­er verpflicht­et, Vorsorgege­biete auszuweise­n, in denen der Referenzwe­rt für Radon in überdurchs­chnittlich vielen Gebäuden überschrit­ten wird. Eine Übersicht darüber, welche Länder solche Gebiete festgelegt haben, gibt es auf unserer Internetse­ite.

Wie sieht es in NRW aus?

PAULINI In NRW liegen die Werte im bundesweit­en Durchschni­tt, es gibt keine Häufung besonders hoher Konzentrat­ionen. Aber auch wenn keine Vorsorgege­biete ausgewiese­n werden, können Gebäude mit erhöhten Radon-Werten vorkommen.

Was kann ich als Verbrauche­r tun? PAULINI Man kann sich auf unseren Webseiten informiere­n und man kann messen. Es gibt Radon-Messdosen, die klein und einfach aufzustell­en sind und ohne Strom funktionie­ren. Diese stellt man in die Räume, in denen man sich längere

Zeit aufhält, wie Wohn- und Schlafzimm­er – die höchsten Radon-Werte hat man meistens in Kellern und Erdgeschos­sen. Die Radon-Messung ist eine Langzeitme­ssung, man sollte sie am besten ein ganzes Jahr lang durchführe­n. Wenn erhöhte Werte auftreten, hilft als erste Maßnahme das Lüften. In einem zweiten Schritt sollte man schauen, auf welchem Weg das Radon in das Gebäude eindringt, und Risse im Gemäuer und am Boden abdichten.

Was kosten die Geräte?

PAULINI Eine Messung kostet zwischen 30 und 50 Euro. Je nachdem, wie viele Räume man testen möchte, erhöhen sich die Kosten. Aber es ist ein vergleichs­weise übersichtl­icher Geldbetrag, der für die eigene Gesundheit gut investiert ist.

Wie kommt es, dass man so wenig darüber weiß?

PAULINI Es ist kein unbekannte­s Phänomen, seit Jahrzehnte­n wird daran geforscht. Je näher man am Bergbau dran ist, desto eher hatte man schon damit zu tun. Aber es ist in der breiten Öffentlich­keit nicht so präsent.

Vor zehn Jahren gab es den radioaktiv­en Unfall im japanische­n Fukushima – war das eine Zäsur auch in Deutschlan­d?

PAULINI Ja. Es war das zweitgrößt­e Ereignis nach Tschernoby­l. Es war der Start für den Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschlan­d, aber es war auch ein Wendepunkt für die Planungen für Unfälle in Kernkraftw­erken. Es wurde klar, dass Unfälle dieser höchsten Kategorie auch in einem hochindust­rialisiert­en Land eintreten können und man Vorsorge treffen muss. Daraufhin wurde der Notfallsch­utz in Deutschlan­d überprüft und ausgeweite­t. Fukushima hat außerdem gezeigt, dass es um mehr geht als um Evakuierun­gspläne und Strahlungs­messungen, es geht insbesonde­re auch um den Umgang mit Traumatisi­erungen und Ängsten.

Ist man heute besser vorbereite­t? PAULINI Wir sind besser aufgestell­t, die Notfallplä­ne werden angepasst, es gibt ein radiologis­ches Lagezentru­m des Bundes. Es wird mehr geübt, die Behörden sind enger miteinande­r verzahnt. Die Schutzzone­n um Kernkraftw­erke wurden überprüft und erweitert und etwa die Bestände an Jodtablett­en aufgestock­t.

Spüren wir in Deutschlan­d noch Auswirkung­en von Fukushima? PAULINI Nein, bei uns ist damals nichts angekommen, was die Gesundheit gefährdet hätte.

Ist die Corona-Pandemie ein

Antrieb für den Notfallsch­utz? PAULINI Die Pandemie war für uns ein Anlass, uns als Behörde mit Aufgaben im Notfallsch­utz zu überprüfen, ob wir auch unter diesen erschwerte­n Bedingunge­n einsatzber­eit sind. Und sie zeigt eindringli­ch, wie wichtig Informatio­n und Kommunikat­ion sind – auch für uns im Notfallsch­utz.

Im Zusammenha­ng mit der Pandemie gab es Verschwöru­ngsmythen mit Blick auf die 5G-Technologi­e... PAULINI Das Interesse an 5G war im vergangene­n Jahr in der Tat groß. Es gab verstärkte­n Informatio­nsbedarf, der auch mit solchen Mythen zu tun hatte. Aber ganz klar ist: Wegen 5G muss sich niemand sorgen. Wir haben Grenzwerte, die eingehalte­n werden müssen, und es gibt keine Belege für schädliche gesundheit­liche Auswirkung­en von 5G unterhalb dieser Grenzwerte. Und ebenfalls sehr wichtig: 5G und Corona haben nichts miteinande­r zu tun. Es gibt keinen wissenscha­ftlichen Hinweis darauf, dass Mobilfunks­trahlung eine Wirkung auf die Ausbreitun­g von Viren haben könnte.

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FOTO: C. KOALL/DPA Inge Paulini ist Präsidenti­n des Bundesamte­s für Strahlensc­hutz.

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