Weniger Seitenhiebe, mehr Selbstlob
Derbe Sprüche der Spitzenpolitiker kommen an diesem Aschermittwoch im Corona-Format kürzer – die Pandemie ist das beherrschende Thema.
BERLIN Den Defiliermarsch lässt die CSU sich nicht nehmen, auch wenn an diesem Corona-Aschermittwoch ansonsten wenig an frühere Jahre erinnert. Keine vollen Hallen, keine feucht-fröhliche Stimmung, und auch die derben Sprüche gegen die politische Konkurrenz kommen kürzer. „Das Virus ist schuld“, sagt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, nachdem er – begleitet von der Passauer Stadtkapelle – im rustikal eingerichteten Live-Studio, dem „Wohnzimmer“, Platz genommen hat. Die Fankurve wird als Videowand dargestellt – Applaus und Zuprosten per Knopfdruck.
Wie die Christsozialen übertragen alle anderen Parteien die Reden ihres Spitzenpersonals. Dennoch, die CSU lässt keinen Zweifel daran, dass die Tradition auf die Bayern zurückgeht. Der Aschermittwoch sei für die CSU der „eigentliche Höhepunkt des Jahres“, so Söder. Weniger Attacken gegen die Gegner bedeutet umso mehr Raum für Selbstlob. Söder betont mehrfach, dass er die bayerische Corona-Politik als Erfolg betrachtet. Jeder einzelne Tote sei ein „Stich ins Herz“. Rückschau und Ausblick auf die Pandemiebewältigung machen den Löwenanteil der fast einstündigen Rede aus.
Dennoch wäre es kein Aschermittwoch, wenn die Konkurrenz nicht doch ihr Fett wegbekäme. Die Grünen seien keine Quasi-Heiligen, spottet Söder über die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock
und Robert Habeck. „Es sind charmante und kompetente Leute, vielleicht. Ich würde mal sagen, eher charmant.“Die SPD wiederum komme ihm vor wie Schalke 04: „eigentlich einen großen Namen, tolle Geschichte – aber echt schlechtes Spiel“, frotzelt der CSU-Chef.
Bei den Grünen begrüßt Parteichef Habeck vom Sofa im Münchner Studio aus mit süffisantem Zungenschlag: „Willkommen zu einem besonderen politischen Aschermittwoch in unserem kleinen Einfamilienhaus.“Das Trommelfeuer wegen der Einfamilienhaus-Pläne der Grünen versucht auch seine „Lieblingsvorsitzende“Annalena Baerbock wegzulächeln. Sie stellt den Appell, dass man bei diesem Aschermittwoch mit Polemik nicht weiterkomme. Prioritär müsse der Bund den Kitas und Schulen Schnelltests zur Verfügung stellen. „Regieren kommt nicht von reagieren“, unterstreicht Baerbock. Nenas Song „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“sei für diese Zeit die falsche Platte.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz verkneift sich jedes konkrete Draufschlagen auf den politischen Gegner. Der taucht nur in Formulierungen wie „die einen sagen“auf. „Was wir wirklich brauchen, ist ein Plan“, erklärt Scholz – und führt als Nummer eins auf der sozialdemokratischen Wahlkampf-Agenda das Aufhalten des menschengemachten Klimawandels an. Ihm geht es um gesellschaftlichen Zusammenhalt, und er packt dazu erneut die Bazooka aus, erinnert an die 190 Milliarden
Euro, die er als Finanzminister in die Corona-Krisenbekämpfung gesteckt habe, und kündigt an, genauso weiter gegenzusteuern, bis die Krise überwunden sei.
FDP-Chef Christian Lindner verkneift sich keine Seitenhiebe und wirft dem CDU-Chef „wahlkampfbedingten politischen Verfolgungswahn“vor. Die Entwicklung des Biontech-Impfstoffes bezeichnet er als „Triumph über schwarze und grüne Ideologie“– mit Verweis auf die Migrationsbedenken der einen und die Forschungsbedenken der anderen. Lindner kritisiert den Wirtschaftsgipfel von Minister Peter Altmaier als bloße Beschwichtigung und lädt Grüne und FDP ironisch dazu ein, auch wieder richtige Oppositionspolitik zu machen.