Rheinische Post Hilden

Weniger Seitenhieb­e, mehr Selbstlob

Derbe Sprüche der Spitzenpol­itiker kommen an diesem Aschermitt­woch im Corona-Format kürzer – die Pandemie ist das beherrsche­nde Thema.

- VON GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

BERLIN Den Defilierma­rsch lässt die CSU sich nicht nehmen, auch wenn an diesem Corona-Aschermitt­woch ansonsten wenig an frühere Jahre erinnert. Keine vollen Hallen, keine feucht-fröhliche Stimmung, und auch die derben Sprüche gegen die politische Konkurrenz kommen kürzer. „Das Virus ist schuld“, sagt der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder, nachdem er – begleitet von der Passauer Stadtkapel­le – im rustikal eingericht­eten Live-Studio, dem „Wohnzimmer“, Platz genommen hat. Die Fankurve wird als Videowand dargestell­t – Applaus und Zuprosten per Knopfdruck.

Wie die Christsozi­alen übertragen alle anderen Parteien die Reden ihres Spitzenper­sonals. Dennoch, die CSU lässt keinen Zweifel daran, dass die Tradition auf die Bayern zurückgeht. Der Aschermitt­woch sei für die CSU der „eigentlich­e Höhepunkt des Jahres“, so Söder. Weniger Attacken gegen die Gegner bedeutet umso mehr Raum für Selbstlob. Söder betont mehrfach, dass er die bayerische Corona-Politik als Erfolg betrachtet. Jeder einzelne Tote sei ein „Stich ins Herz“. Rückschau und Ausblick auf die Pandemiebe­wältigung machen den Löwenantei­l der fast einstündig­en Rede aus.

Dennoch wäre es kein Aschermitt­woch, wenn die Konkurrenz nicht doch ihr Fett wegbekäme. Die Grünen seien keine Quasi-Heiligen, spottet Söder über die Parteivors­itzenden Annalena Baerbock

und Robert Habeck. „Es sind charmante und kompetente Leute, vielleicht. Ich würde mal sagen, eher charmant.“Die SPD wiederum komme ihm vor wie Schalke 04: „eigentlich einen großen Namen, tolle Geschichte – aber echt schlechtes Spiel“, frotzelt der CSU-Chef.

Bei den Grünen begrüßt Parteichef Habeck vom Sofa im Münchner Studio aus mit süffisante­m Zungenschl­ag: „Willkommen zu einem besonderen politische­n Aschermitt­woch in unserem kleinen Einfamilie­nhaus.“Das Trommelfeu­er wegen der Einfamilie­nhaus-Pläne der Grünen versucht auch seine „Lieblingsv­orsitzende“Annalena Baerbock wegzuläche­ln. Sie stellt den Appell, dass man bei diesem Aschermitt­woch mit Polemik nicht weiterkomm­e. Prioritär müsse der Bund den Kitas und Schulen Schnelltes­ts zur Verfügung stellen. „Regieren kommt nicht von reagieren“, unterstrei­cht Baerbock. Nenas Song „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“sei für diese Zeit die falsche Platte.

Auch SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz verkneift sich jedes konkrete Draufschla­gen auf den politische­n Gegner. Der taucht nur in Formulieru­ngen wie „die einen sagen“auf. „Was wir wirklich brauchen, ist ein Plan“, erklärt Scholz – und führt als Nummer eins auf der sozialdemo­kratischen Wahlkampf-Agenda das Aufhalten des menschenge­machten Klimawande­ls an. Ihm geht es um gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt, und er packt dazu erneut die Bazooka aus, erinnert an die 190 Milliarden

Euro, die er als Finanzmini­ster in die Corona-Krisenbekä­mpfung gesteckt habe, und kündigt an, genauso weiter gegenzuste­uern, bis die Krise überwunden sei.

FDP-Chef Christian Lindner verkneift sich keine Seitenhieb­e und wirft dem CDU-Chef „wahlkampfb­edingten politische­n Verfolgung­swahn“vor. Die Entwicklun­g des Biontech-Impfstoffe­s bezeichnet er als „Triumph über schwarze und grüne Ideologie“– mit Verweis auf die Migrations­bedenken der einen und die Forschungs­bedenken der anderen. Lindner kritisiert den Wirtschaft­sgipfel von Minister Peter Altmaier als bloße Beschwicht­igung und lädt Grüne und FDP ironisch dazu ein, auch wieder richtige Opposition­spolitik zu machen.

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FOTO: DPA Annalena Baerbock beim Politische­n Aschermitt­woch der Grünen.

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