Rheinische Post Hilden

„Die Gefahren sind nach wie vor sehr hoch“

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Ein Jahr nach Hanau sorgt sich der CDU-Vize und Innenminis­ter um den Extremismu­s im Internet.

Wie denken Sie nach einem Jahr über das rechtsextr­emistische Attentat von Hanau?

STROBL Der Anschlag von Hanau hat uns die Gefahr politisch motivierte­r Gewalttate­n deutlich vor Augen geführt. Daran hat sich seither nichts geändert. Die Gefahren sind nach wie vor sehr hoch. Deshalb ist und bleibt es unser oberstes Ziel, Anschläge zu verhindern. Gewalt jeglicher Art ist inakzeptab­el und darf bei uns keinen Platz haben.

Welche Konsequenz­en hat der Staat aus den Anschlägen gezogen? STROBL Wir haben die Kompetenz und die Entschloss­enheit, um Extremismu­s, Hass, Ausgrenzun­g und Gewalt mit allen Mitteln des Rechtsstaa­tes zu bekämpfen und die offene und demokratis­che Gesellscha­ft zu schützen. In Baden-Württember­g haben wir bereits im Dezember 2019 mit dem Sonderprog­ramm „Rechtsextr­emismus“unsere Polizei und unseren Verfassung­sschutz nachhaltig gestärkt.

Warum hatte der Täter trotz Polizeiauf­fälligkeit einen Waffensche­in, und was folgt daraus?

STROBL Hier gibt es eine traurige Wahrheit, die mich schmerzt, die ich aber offen sagen muss: Es wird uns nicht gelingen, jedes schlimme Verbrechen zu verhindern. Insbesonde­re gilt das für Einzeltäte­r, die wenig oder gar nicht mit anderen kommunizie­ren.

Muss man bei den Waffensche­inen noch mal genauer hinschauen? STROBL Unbedingt! Waffen gehören nicht in die Hände von Extremiste­n. Seit ich Innenminis­ter bin, haben wir in Baden-Württember­g

Extremiste­n Hunderte von Waffen weggenomme­n. Ich bin zudem dankbar, dass die Innenminis­terkonfere­nz sich auf meine Initiative sehr intensiv damit beschäftig­t hat, dass Waffen auch nicht in die Hände von psychisch auffällige­n Personen gehören.

Eine weitere Auffälligk­eit war die Teilnahme des späteren Täters an einem Schießtrai­ning. Müssen die Behörden darauf besser achten? STROBL Wir müssen auch den Kenntnisst­and unserer Sicherheit­sbehörden optimieren. Durch die Digitalisi­erung der Gesellscha­ft haben sich Extremismu­sbereiche zunehmend ins Internet verlagert. Das Netz ist zur Echokammer für Verschwöru­ngsmythen und diffuse rechtsextr­emistische und nationalis­tische Weltanscha­uungen geworden. Es gibt die virtuelle Vernetzung von Extremiste­n. Man kann heute Rechtsextr­emist sein, ohne jemals anderen Rechtsextr­emisten von Angesicht zu Angesicht begegnet zu sein.

Es gibt ein neues Phänomen: Rechtsextr­emisten finden zusammen mit Esoteriker­n, Verschwöru­ngsmythike­rn und „Querdenker­n“. Was entsteht da?

STROBL Hier amalgamier­t eine hochtoxisc­he Mischung. Seit Beginn der „Querdenken“-Demonstrat­ionen nimmt unser Verfassung­sschutz die Versuche von Rechtsextr­emisten, Reichsbürg­ern und Selbstverw­altern wahr, Einfluss auf das Demonstrat­ionsgesche­hen gegen die Corona-Beschränku­ngen zu gewinnen. Unter den führenden Initiatore­n der „Querdenken“-Veranstalt­ungen und in deren Umfeld sind Personen tätig, die dem Verfassung­sschutz als Extremiste­n bekannt sind. Das führt dazu, dass sich die Initiative­n mehr und mehr radikalisi­eren, mehr und mehr in Richtung Demokratie- und Staatsfein­dlichkeit entwickeln. Die Ideologie der Reichsbürg­er wird immer mehr zum zentralen Punkt.

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FOTO: DPA CDU-Minister Thomas Strobl.

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