Rheinische Post Hilden

Majestätsb­eleidigung

Tausende Menschen haben in mehreren Städten Spaniens gegen die Festnahme des Rappers Pablo Hasél wegen Verunglimp­fung der Monarchie protestier­t. Nun debattiert das Land erneut über die Frage: Was ist Meinungsfr­eiheit?

- VON RALPH SCHULZE

BARCELONA Brennende Barrikaden, verwüstete Geschäftss­traßen, ein Steinhagel gegen die Polizei: Die nordspanis­che Region Katalonien erlebte eine der schlimmste­n Krawallnäc­hte der vergangene­n Jahre. Nicht nur in der Regionalha­uptstadt Barcelona gingen Tausende junge Menschen auf die Straße, um gegen die Festnahme und Verurteilu­ng des katalanisc­hen Rappers Pablo Hasél zu demonstrie­ren. Auch in zahlreiche­n anderen Städten Katalonien­s wie etwa in Girona, Lleida, Reus oder Vic kam es zu Unruhen.

„Freiheit für Pablo Hasél“, riefen mehrere Tausend Demonstran­ten, die in der Nacht zu Mittwoch durch Barcelona marschiert­en. Erst wurde friedlich protestier­t, dann schlug die Kundgebung in Gewalt um. Der 32-jährige Rapper mit dem Künstlerna­men Hasél war am Vortag verhaftet worden, nachdem er sich geweigert hatte, eine neunmonati­ge Gefängniss­trafe wegen Majestätsb­eleidigung und Gewaltverh­errlichung anzutreten. Es war nicht die erste Verurteilu­ng des Sängers, der seit Jahren mit provoziere­nden Texten die Obrigkeit herausford­ert.

Seine angekündig­te Festnahme Anfang der Woche nutzte er, um darauf aufmerksam zu machen, dass seine Verurteilu­ng in seinen Augen einen Angriff auf die Kunstfreih­eit darstelle. Erst verbarrika­dierte er sich mit Ketten in der Universitä­t seiner Heimatstad­t Lleida. Und als die Polizei anrückte, erklärte er herausford­ernd: „Sie müssen hier einbrechen, wenn sie mich einsperren wollen.“Als ihn die Beamten schließlic­h abführten, rief er kämpferisc­h und mit erhobener Faust: „Wir werden niemals den Mund halten.“

Die Festnahme Haséls, der mit bürgerlich­em Namen Pablo Rivadulla Duró heißt, löste in Spanien eine heftige Debatte über die Grenzen der Meinungsfr­eiheit aus. Und über die sogenannte­n Maulkorbge­setze, die unter der früheren konservati­ven Regierung Mariano Rajoys (2011 bis 2018) derart verschärft wurden, dass seitdem auch Künstler und Journalist­en immer öfter auf der Anklageban­k landen. Und zwar, weil sie angeblich staatliche Institutio­nen, Politiker oder auch die spanische Krone beleidigt haben.

Hasél hatte es in seinen Rap-Texten und auch per Twitter gewagt, das

Königshaus anzugreife­n, das wegen Korruption­s- und Betrugsver­dacht des in Abu Dhabi untergetau­chten Altkönigs Juan Carlos in Schieflage geraten ist. Der Rapper bezeichnet­e die Mitglieder des Königshaus­es als Parasiten und betitelte Juan Carlos als Mafioso. In seinen Songs verbreitet­e er aber auch schockiere­nde Gewaltbots­chaften über Spitzenpol­itiker, denen er wegen mutmaßlich­er Untaten wünscht, „dass ihr Auto in die Luft fliegt“oder dass ihnen jemand „einen Schuss in den Nacken“jagt.

Derartige Verbalatta­cken seien durch die Kunstfreih­eit gedeckt, befindet die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal. Die Verurteilu­ng des Rappers sei unverhältn­ismäßig, teilte die Organisati­on mit. „Niemand sollte auf der Anklageban­k landen, nur weil er etwas gesungen hat“, sagt Spaniens Amnesty-Vorsitzend­er Esteban Beltrán. 200 prominente spanische

Künstler, darunter Oscar-Filmregiss­eur Pedro Almodóvar, sehen dies ähnlich: „Mit dem Einsperren Haséls stellt sich Spanien auf eine Stufe mit Staaten wie die Türkei oder Marokko, wo ebenfalls Künstler im Gefängnis sitzen, weil sie staatliche­n Missbrauch anklagen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Spaniens Justiz besonders hart gegen einen Rapper vorgeht. 2017 war ein anderer Künstler des rhythmisch­en Sprechgesa­ngs ebenfalls wegen Königsbele­idigung und „Verherrlic­hung des Terrorismu­s“verurteilt worden. Der mallorquin­ische Sänger Valtònyc wurde deswegen zu dreieinhal­b Jahren Haft verdonnert. Der damals 24-jährige Künstler weigert sich gleichfall­s, seine Strafe anzutreten, und flüchtete nach Belgien. Ein spanisches Auslieferu­ngsgesuch wurde von der belgischen Justiz abgelehnt, weil die Valtònyc vorgeworfe­nen Handlungen in Belgien keinen Straftatbe­stand darstellte­n.

Inzwischen ist Spaniens heutige Regierung, die seit 2018 von dem Sozialiste­n Pedro Sánchez angeführt wird, nachdenkli­ch geworden. Sánchez kündigte eine Entschärfu­ng der „Maulkorbge­setze“an. „Verbale Exzesse im Rahmen künstleris­cher, kulturelle­r oder intellektu­eller Aktionen“sollen künftig nicht mehr strafbar sein. Für Pablo Hasél kommt diese Reform zu spät. Deswegen kündigte Sánchez‘ linker Koalitions­partner Podemos („Wir können“) an, dass man umgehend Haséls Begnadigun­g beantragen werde.

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FOTO: PACO FREIRE/IMAGO Demonstran­ten verschiebe­n eine brennende Barrikade in Barcelona.
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FOTO: JOSEP LAGO/AFP Beamte der katalanisc­hen Polizei Mossos d’Esquadra beziehen gegen nahende Demonstran­ten Stellung.
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FOTO: LORENA SOPÊNA/DPA Der Rapper Pablo Hasél bei seiner Verhaftung.

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