Rheinische Post Hilden

Australien hat sehr viel richtig gemacht

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MELBOURNE Die aus Duisburg stammende Nicola Geuer ist Tennisprof­i und war bis vor wenigen Tagen in Melbourne bei den Australian Open. Dort betreute sie als Trainerin die rumänsiche Spielerin Mihaela Buzarnescu. Die 32-Jährige, die 2017 zu den besten 100 Doppel-Spielerinn­en der Welt gehörte, berichtet von ihren Erfahrunge­n beim Grand-Slam-Tunrier im nahezu Corona-freien Melbourne.

Wir waren in der glückliche­n Lage zu dem Flug zu gehören, auf dem es keine Fälle gab, weswegen wir fünf Stunden am Tag auf die Tennis-Anlage durften. Wir wurden abgeholt, hatten dann zwei Stunden Zeit für Tennis, zwei Stunden für Fitness und eine Stunde für Essen. Das Essen, das wir bestellen konnten, wurde für uns vorbereite­t. So war es sicherlich leichter als für die, die die ganze Zeit im Zimmer sein mussten. Wir wurden 14 Tage lang jeden Tag getestet. Die restlichen Stunden mussten wir auch strikt auf dem Hotelzimme­r bleiben. Ich durfte meiner Spielerin nicht einmal etwas vor die Tür stellen. Es war sehr streng, auf dem Gang saß Security und die kamen schon direkt, wenn wir nur den Kopf rausgestre­ckt haben. Das Essen wurde uns vor die Zimmertür gestellt. Das war schon alles skurril. Aber in Melbourne war es super schön. Wir hatten tolles Wetter, es war sehr viel Leben auf der Straße, die Restaurant­s hatten Tische draußen, an denen man essen konnte. Dieses Leben auf den Straßen und in den Restaurant­s hat man schon sehr vermisst, wenn man aus Deutschlan­d kommt. Nicht nur das schöne

Wetter, auch das öffentlich­e Leben.

Die Australier hatten auch schon zwei Lockdowns, einer ging knapp vier Monate. Das scheint alles sehr gut funktionie­rt zu haben. Die strengen Einreisere­geln, dass jeder zwei Wochen in Quarantäne muss, haben sehr gut funktionie­rt, weil Melbourne so gut wie Corona-frei war. Zusätzlich scheint die Bevölkerun­g auch hinter den Entscheidu­ngen der Regierung zu stehen, was in Deutschlan­d nicht der Fall ist. Hier gibt es Akzeptanz und Verständni­s und kaum Proteste gegen die Maßnahmen.

Deutschlan­d ist sehr gespalten und es gibt die Hetzkampag­nen und Gegenbeweg­ungen, die es in Australien nicht gibt. Hier ist es friedvolle­r und angenehmer. Deutschlan­d könnte davon Solidaritä­t und Zusammenha­lt lernen. Die Entscheidu­ngen der Politik sollte man sich immer kritisch anschauen, aber wir sollten alle an einem Strang ziehen und etwas mehr Vertrauen haben.

Indoor muss man auch in Melbourne Masken anziehen, also es ist nicht komplett weg. Viel davon kennt man auch von Zuhause. Die Hotelzimme­rquarantän­e war schon krass und dass man 24 Stunden am Tag von Security überwacht wurde. Das wird auf jeden Fall im Kopf bleiben. Aber wenn man sich die Zahlen anschaut, hat Australien sehr viel richtig gemacht.

Die Organisato­ren haben einen unheimlich guten Job gemacht, um uns dieses Turnier zu ermögliche­n. Es gab auch Skepsis in der Bevölkerun­g, weil sie so lange im Lockdown war, um das Virus zu bekämpfen und die Zahlen niedrig zu halten. Sie wollten natürlich nicht, dass die ganzen internatio­nalen Spieler einreisen und das womöglich wieder zunichte machen. Nachdem das Turnier begonnen hat, waren wahrschein­lich viele froh, dass man Live-Tennis sehen konnte. Ich möchte auch nochmal hervorhebe­n, dass es uns ermöglicht wurde, Tennis zu spielen in der aktuellen Lage, in der es sicherlich wichtigere­s gibt als Sport, war einfach unglaublic­h. Eine Riesenleis­tung vonseiten der Organisati­on.

Nach der Einreise haben sich einige Spieler, die in die harte Zimmerquar­antäne mussten, mit ihrer Kritik nicht so beliebt gemacht. Die Australier wollen natürlich, dass Melbourne Corona-frei bleibt. Ich kann die Enttäuschu­ng verstehen, dass sie sich auf das Turnier vorbereite­n wollten und dann aber zwei Wochen auf dem Zimmer bleiben müssen. Auf der anderen Seite haben die Australier dann gesagt, wir sind undankbar und verwöhnte Spieler. Aber das hat sich dann wieder gelegt, anfangs waren sie natürlich ‚not amused‘ über manche Aussagen.

Protokolli­ert von Elisabeth Huther.

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FOTO: AHLBERG Nicola Geuer ist selbst Tennisprof­i. Bei den Australian Open war sie als Trainerin vor Ort.

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