Tillys Wagen stößt bei Polen auf Kritik
Zum zweiten Mal wettern polnische Diplomaten über ein Düsseldorfer Karnevalsmotiv. Der aktuelle Mottowagen soll dort jetzt bei Demonstrationen fahren. Auch der Trump-Wagen sorgt für Aufregung.
DÜSSELDORF Jacques Tilly und die konservative polnische Regierung liegen zum zweiten Mal im Clinch. Nachdem 2016 ein schimpfender polnischer Außenminister auf einen Tilly-Wagen im Rosenmontagszug reagierte, meldet sich in diesem Jahr das polnische Generalkonsulat aus Köln zu Wort. Tilly zeigte auf einem der Mottowagen am Montag eine auf dem Rücken liegende Frau, auf der ein Mann kniet, der dem Chef der polnischen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynksi, ähnelt. Er treibt ihr mithilfe eines Kruzifixes einen Pflock ins Herz. Auf dem Arm der Frau steht das Wort Abtreibungsrecht, auf dem Arm des Mannes das Wort Polen. Die Darstellung könnte „von vielen Menschen, nicht nur in Polen, als verletzend angesehen werden“, hat der Generalkonsul an das Carnevals Comitee (CC) und die Stadtspitze geschrieben.
Tilly kontert mit dem Hinweis, dass sich viele Frauen in Polen durch das Gesetz, das auch bei Fehlbildungen des Fötus’ eine Abtreibung verbietet, unterdrückt fühlten. Er habe Anfragen von polnischen Oppositionsgruppen, die den Wagen gerne in Polen einsetzen würden. Das CC hat dem bereits zugestimmt. 2016 hatte Tilly Polen als unterdrückte Frau unter dem Stiefel von Kaczynski dargestellt. Damals hatte Außenminister Witold Waszczykowski erklärt, er wolle die Partner in Deutschland fragen, wem das diene. Er sah in dem Mottowagen „Verachtung der Polen und der polnischen Politiker“.
Tilly versteht sich als Rationalist und Aufklärer, seine Mottowagen gehen oft auf Verteidigungsfahrt für die Menschenrechte. Diktatoren oder Autokraten aller Art haben bei Tilly keine Chance, Rechtspopulisten ebensowenig. Für das CC ist die Narren- gleichbedeutend mit der Meinungsfreiheit, es unterstützt Tillys Linie, Geschäftsführer Hans-Jürgen Tüllmann können die Mottowagen gar nicht scharf genug sein. Einmischungsversuche werden deswegen zurückgewiesen. So zeigte Tilly 2016 den türkischen Präsidenten
Erdogan, der mit einem IS-Vertreter anstößt, mit Gläsern, in denen sich das Blut der Kurden befindet. Tilly hielt es für einen Skandal, „dass die westliche Welt die Kurdenpolitik der Türkei wegen ihrer Interessen in der Flüchtlingspolitik nahezu ignoriert“. Als die türkische Generalkonsulin Sule Gürel den Wagen vor dem Rathaus sah, forderte sie dessen sofortige Entfernung. Er zeige die Unwahrheit. CC-Präsident Michael Laumen lehnte dies ab und verwies auf die Meinungsfreiheit.
Die Mottowagen sind Karikaturen mit oft drastischen Bildern. Da wird verbrannt, geköpft, aufgespießt – etwa Donald Trump, der bei Tilly auch schon die Freiheitsstatue vergewaltigte. Jetzt brutzelte er nackt über offenem Feuer beim Impeachment, was Protest, Hassmails und Anzeigenandrohungen zur Folge hatte – allerdings nicht von offiziellen Stellen. Peter Beyer, Transatlantikkoordinator der Bundesregierung und CDU-Bundestagsabgeordneter im Kreis Mettmann, bleibt ebenfalls gelassen: „Ich kann nachvollziehen, dass manche Menschen diese Art der Darstellung als geschmacklos oder grenzüberschreitend empfinden. Aber: Satire darf das. Diese bewusste Überspitzung gehört zum Wesen des Karnevals“, sagte Beyer im Gespräch mit unserer Redaktion.
An der Nacktheit Trumps stießen sich einige Protestler, während die mehrfach hüllenlos dargestellte Kanzlerin niemanden aufregte. 2010 etwa war Angela Merkel eine nackte Eva, die Steuer-CDs entgegennahm. Empfindlichkeit hat halt auch mit Demokratieverständnis zu tun.
2019 nahm Tilly sich den damaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini vor. Dieser bekam für seine harte Flüchtlingspolitik sein Fett weg. Tilly zeigte ihn mit Brüsten, an denen er zwei glatzköpfige Wechselbälger säugte, denen die Worte „Rassismus“und „Nationalismus“auf die Schädel tätowiert waren. Salvini twitterte ein Foto des Wagens mit der Überschrift „Carnevale di Düsseldorf“, dahinter ein lachendes Emoji. Tilly findet ihn deswegen jetzt aber nicht sympathisch.